Sie sind die Datenmanager der Republik und damit Herren über Abermillionen von Informationen über Österreich und die Österreicher. Deshalb hat eine geplante Reorganisation der Statistik Austria, die federführend vom Bundeskanzleramt aus betrieben wird, Mitte Februar zu heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit und einem politischen Schlagabtausch zwischen dem türkisen Kanzleramt und der Opposition geführt. Seither kehrte nur kurz Ruhe ein.

Nach Informationen des STANDARD wurde innerhalb der Statistik Austria der Prozess der Neuorganisation eingeleitet. Die Umstrukturierung verläuft alles andere als reibungslos.

Die geplante Reorganisation der Statistik Austria – im Bild das Hauptgebäude in Wien – schlägt neuerlich hohe Wellen.
Foto: APA/Hochmuth

Die kaufmännische Leiterin der Statistik, Gabriela Petrovic, hat angeordnet, dass die Presseabteilung der seit dem Jahr 2000 ausgegliederten Agentur von derzeit acht auf künftig zwei Mitarbeiter verkleinert wird. Ebenso soll eine bestehende Stabsstelle für Analyse geschlossen und 33 Reformprojekte gestoppt werden. Die Stabsstelle ist für Kooperationen mit externen Wissenschaftern zuständig. Zu den 33 gestoppten Reformprojekten gehört etwa der Aufbau eines Data Warehouse, also eines zentralen Speichers, der den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Abteilungen ermöglichen sollte.

Zwei Chefposten

Die Statistik Austria hat von Gesetzes wegen zwei Leiter: Neben der kaufmännischen Chefin Petrovic fungiert Konrad Pesendorfer als fachlicher Generaldirektor. Internen Reorganisationen müssen beide zustimmen. Pesendorfer hat ein Veto gegen die Maßnahmen eingelegt. In der Folge hat Petrovic diese Woche erstmals in der 19-jährigen Geschichte der Statistik Austria von einer speziellen Bestimmung im Gesetz Gebrauch gemacht, die ihr im Fall eines nicht zu lösenden Konflikts zwischen den beiden erlaubt, selbst zu entscheiden.

Das wiederum will sich Pesendorfer, der ehemalige wirtschaftspolitische Berater von Kanzler Werner Faymann (SPÖ), nicht gefallen lassen. Er hat ebenfalls diese Woche den Wirtschaftsrat angerufen und ersucht, diese Reformen zu blockieren. Dieses zwölfköpfige Gremium überwacht die wirtschaftlichen Aktivitäten der Statistik Austria und hat in einem festgefahrenen Konflikt zwischen der Leitung das letzte Wort. Der Wirtschaftsrat tagt am 4. April. Da dort mehrheitlich Vertreter des Kanzleramts und diverser Ministerien sitzen, gilt es als unwahrscheinlich, dass sich Pesendorfer durchsetzen wird.

Mehrere Interpretationen

Die Vorgänge in der Statistik werden unterschiedlich interpretiert. Die geplanten Reorganisationsmaßnahmen sorgen sowohl unter Statistikern als auch bei der Opposition für Kritik. Der Vorwurf: Das Kanzleramt hole die Statistik ein Stück enger an sich heran und wolle die Koordination der Außenkommunikation mitübernehmen, Stichwort Message-Control.

Als "Informationsmanager" werden die Mitarbeiter der Statistik Austria auf dem Logo vor dem Hauptgebäude in Wien bezeichnet.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die beschriebenen Reorganisationsmaßnahmen wurden nämlich von einer eigens im Bundeskanzleramt eingerichteten Reformgruppe erarbeitet. Ihr gehören Mitarbeiter der Statistik Austria und des Kanzleramts an. Sie arbeitet unter Federführung des einflussreichen Generalsekretärs im Kanzleramt, Dieter Kandlhofer. Auch die kaufmännische Leiterin der Statistik beruft sich explizit auf Kandlhofer bei der Begründung der Reform.

Präsent in der Debatte

Das Presseteam der Statistik hat in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass die ausgegliederte Anstalt in vielen öffentlichen Debatten präsent war. Pesendorfer wurde von Faymann 2010 an die Spitze der Statistik berufen. Er ist mit seinen oft sozialkritischen Analysen der Einkommen und Staatsverschuldung selbst oft präsent gewesen, wofür er mitunter kritisiert wird nach dem Motto: Muss die Statistik Austria auch selbst analysieren? Die Erweiterung der Presseabteilung, den Aufbau der Stabsstelle Analyse und auch die nun gestrichenen Reformprojekte hat er initiiert.

Bemerkenswert: Während die kaufmännische Leiterin Petrovic in der Reformgruppe des Kanzleramts sitzt, gehört Pesendorfer diesem Team nicht an, obwohl seine Funktionsperiode noch bis Jahresende dauert. Pesendorfer hat nun seinen bisherigen fachlichen Stellvertreter Werner Holzer von dieser Funktion enthoben: Holzer war sehr wohl in die Reformgruppe berufen worden.

Weder Petrovic noch Pesendorfer wollten sich am Freitag zur Causa und den Hintergründen äußern.

Wer wusste was?

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich über die kolportierten Pläne im Februar unwissend gegeben. "Das kann sein. Wir nehmen immer wieder Veränderungen vor, aber von meiner Seite ist nichts Konkretes geplant." Er habe nur Gerüchte vernommen, dass es in der Statistik intern Konflikte um Zuständigkeiten gebe, so Kurz.

Als die Kritik lauter wurde, veröffentlichte das Kanzleramt, das die Statistik beaufsichtigt, kurze Zeit später zwei interne Dokumente zu der eingesetzten Reformgruppe und ihren Aufgaben. In den Augen des Kanzleramts zeigen diese Dokumente eindeutig, dass an einer unabhängigen Statistik Austria nicht gerüttelt werde. Es gehe in Wahrheit um eine Optimierung und Evaluierung der Organisation, 19 Jahre nach ihrer Ausgliederung. Auch die Presseabteilung werde dort weiter selbstständig arbeiten können. Sie werde nicht ins Bundeskanzleramt eingegliedert. In den Berichten über die Reformen war nicht die Rede von einer Eingliederung, sondern von einer Koordination der Außenkommunikation der Statistik durch das Kanzleramt.

"Betriebswirtschaftlich motiviert"

In einem Schreiben an die Aufsichtsorgane der Statistik führt Petrovic aus, warum sie die internen Umbauarbeiten jetzt durchsetzen möchte: Die Maßnahmen seien "nicht zuletzt betriebswirtschaftlich motiviert", schreibt sie und argumentiert mit notwendigen Einsparungen, um das Jahresergebnis der Statistik 2019 nachhaltig zu verbessern. Ein weiterer Aufschub sei nicht zu rechtfertigen.

Tatsächlich hat die Statistik ein Budgetproblem. Das schreibt jedenfalls auch Pesendorfer in einem eigenen Brief an den Wirtschaftsrat: Der vorläufige Jahresabschluss 2018 sehe ein negatives Ergebnis von 187.000 Euro vor. Auch für die kommenden Jahre rechne man mit einem negativen Jahresergebnis von zunächst 1,2 Millionen Euro im Jahr 2020 und dann bis zu 8,1 Millionen 2023. Doch laut Pesendorfer ändern die nun geplanten Maßnahmen nichts an dieser Finanzlücke, während es zu "starken fachlichen Leistungsverlusten" kommen werde.

Die Statistik Austria erhält vom Bund für die gesetzlich von ihr wahrzunehmenden Aufgaben jedes Jahr einen Pauschalbetrag – dieser wurde seit dem Jahr 2000 nicht an die Inflation angepasst. Fakt ist jedenfalls: Das jährliche Budget belief sich bisher auf 50,391 Millionen Euro, seit dem 1. Jänner 2019 ist es eine Million weniger. (Andras Szigètvari, 22.3.2019)