Zecken sind blind, sie riechen ihre Opfer. Mit ihren Krallen an den Vorderbeinen können sie blitzschnell zupacken und sich an Haut und Kleidung festhalten.

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Sie sind kaum zu sehen, lauern im Gras, auf Büschen und Sträuchern. Ab Temperaturen von etwa fünf Grad Celsius werden sie aktiv. Während wir gemütlich durch Wiesen und Wälder spazieren und die Frühlingssonne genießen, hat uns der Gemeine Holzbock, vulgo Zecke, schon gerochen. Augen besitzt er nicht, er orientiert sich mit einem speziellen Geruchsorgan an den Vorderbeinen und seinen zahlreichen Tasthaaren. Damit kann er Bewegungen wahrnehmen, seine Opfer erkennt er am Geruch, an der Körperwärme und am ausgeatmeten Kohlendioxid.

Die typische Jagdposition des Spinnentiers: Es streckt seine Vorderbeine in die Höhe, um alle Duftstoffe der Umgebung wahrzunehmen. Streifen Tiere oder Menschen an einem von einer Zecke bewohnten Grashalm vorbei, packt der Parasit in Sekundenbruchteilen mit den Krallen an den Vorderbeinen zu und hält sich an Haut, Fell oder Kleidung fest. Anschließend sucht sich das Tier eine gut durchblutete Stelle, reißt mit seinen scherenartigen Mundwerkzeugen die Haut des Wirts auf und gräbt mit dem Stechrüssel eine Grube in das Gewebe.

Das Opfer spürt von alldem nichts, denn die Zecke betäubt mit ihrem Speichel die Bissstelle. Damit der Gemeine Holzbock nicht von seinem Wirt abfällt, verhakt er sich mit seinem Stechwerkzeug. Zusätzlich produziert er eine Art Klebstoff, mit dem er sich noch fester an die Haut heftet. Um das Blut verdauen zu können, gibt er überschüssige Mengen immer wieder an den Wirt zurück. Krankheitserreger werden so übertragen, zu den gefährlichsten zählt das FSME-Virus.

Der Mensch ist das Problem

Im Vorjahr erkrankten in Österreich insgesamt 154 Menschen an der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), fünf Patienten starben an den Folgen der Infektion – so viele wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Mehrere Gründe sind dafür ausschlaggebend: Eine Ursache liegt zwei Jahre zurück. Im Buchenmastjahr 2016 gab es ein üppiges Angebot an Bucheckern, die kleine Nagetiere, vor allem Mäuse, satt machten. Mehr Nahrung heißt auch mehr Mäuse, es gab also eine größere Anzahl von Zwischenwirten für die Zeckenlarven, die sich einige Monate später zu Nymphen und im Frühjahr 2018 schließlich zu erwachsenen Zecken entwickelten. Der milde Winter und warmes Frühlingswetter sorgten dafür, dass der Gemeine Holzbock schon zu Jahresbeginn überaus aktiv war.

Das größte Problem ist allerdings der Mensch selbst. Die Impfung ist der einzige Schutz gegen FSME, etwa eine von 100 bis 300 Zecken trägt den Erreger in sich. 82 Prozent der Österreich haben sich im Laufe ihres Lebens mit drei Teil- und einer Auffrischungsimpfung immunisieren lassen. "Aktuell besitzen nur noch 62 Prozent einen kompletten Impfschutz. Unter den Kleinkindern sind es nur rund 40 Prozent", sagt der Wiener Kinderarzt Rudolf Schmitzberger. Die Immunisierungsrate sinkt seit Jahren, Schmitzberger führt das nicht auf eine zunehmende Impfskepsis zurück, sondern "viele Menschen vergessen einfach aufs Auffrischen oder finden keine Zeit, extra deswegen zum Arzt zu gehen."

Die gute Nachricht: In solchen Fällen muss nicht das gesamte Impfschema wiederholt werden. Vorausgesetzt, es besteht keine Immunschwäche. "Das immunologische Gedächtnis ist viel besser, als wir glauben. Eine Auffrischung genügt, um wieder den vollen Schutz zu erzielen – selbst wenn die letzte FSME-Impfung 15 Jahre zurückliegt", sagt Florian Thalhammer, Facharzt für Infektionen an der Med-Uni Wien.

Keine Panik vor Riesenzecke

236 Zecken pro 100 Quadratmeter Wald- und Wiesenareal soll es laut Forschern der Vetmed-Uni Wien heuer in Österreich geben. "Wir erwarten ein moderates Zeckenjahr", sagt Franz Rubel vom Institut für Öffentliches Veterinärwesen. 2018 waren es mit 422 Tieren pro 100 Quadratmeter fast doppelt so viele.

Wissenschafter sind sich einig, dass extreme Zeckenjahre durch den Klimawandel häufiger werden. "Durch die Erderwärmung siedeln sich auch immer mehr Zeckenarten bei uns an, die bislang nur im Mittelmeerraum oder in Nordafrika heimisch waren", ergänzt Georg Duscher, Parasitologe von der Vetmed-Uni Wien. Über Zugvögel werden sie eingeschleppt, im Vorjahr tauchte erstmals in Österreich und Deutschland die tropische Riesenzecke auf, die als Überträgerin des Krim-Kongo-Fiebers gilt. Grund zur Panik bestehe aber nicht: "Es ist extrem selten, dass die Tiere den Erreger in sich tragen", relativiert Duscher.

Wer von einer Zecke gestochen wurde, sollte sie rasch mit einer Spezialpinzette entfernen. Von einer Behandlung mit Kleber oder Öl rät Gerhard Kobinger von der Österreichischen Apothekerkammer ab: "Die Zecke bekommt Erstickungsanfälle und speit ihren Mageninhalt in die menschlichen Blutgefäße." Die Folge: das Borreliose-Risiko steigt an. (Günther Brandstetter, 23.3.2019)