Sie stehen bei Minusgraden auf der Straßen und schaufeln Schnee: Asylwerber in Innsbruck. Dass der Innenminister ihnen dafür nur noch 1,50 Euro pro Stunde zugestehen will, macht den Bürgermeister zornig.

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Sie kehren Gehsteige, jäten Unkraut und schälen Zwiebel und erhalten dafür nur ein paar Euro pro Stunde: jene Asylwerber, die derzeit in gemeinnützigen Jobs tätig sind. Allein in der Stadt Graz sind rund hundert Asylsuchende in der Straßenreinigung tätig, sie wechseln sich dabei ab: Jede Woche kommen circa zwanzig Personen zum Einsatz, dann übernimmt ein anderes Team. Dieses Rotationsprinzip ist notwendig, weil die Asylwerber laut Gesetz nicht mehr als 110 Euro pro Monat dazuverdienen können. Die Stadt zahlt den Asylwerbern fünf Euro pro Stunde.

Künftig sollen es nur noch 1,50 Euro pro Stunde sein, so will es eine neue Verordnung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Die, die im Alltag mit den gemeinnützig Arbeitenden zu tun haben, finden das weniger gut. Während die Türkisen im Bund Kickls Vorstoß unterstützen, gibt es an der Basis viele ÖVP-Bürgermeister, die ihn kritisch sehen, wobei nur wenige ihren Unmut auch öffentlich äußern wollen.

Rasenmähen und Musikverein

"G'scheit ist das nicht", sagt beispielsweise Rudolf Friewald, ÖVP-Bürgermeister in der niederösterreichischen Gemeinde Michelhausen. Die freiwilligen Arbeitseinsätze der Asylwerber hätten seiner Gemeinde "einen irrsinnigen Integrationseffekt" gebracht, schwärmt Friewald. Die anfangs ablehnende Stimmung gegen die Asylwerber habe sich dadurch "in kurzer Zeit komplett gedreht", weil durch das gemeinsame Rasenmähen auf dem Fußballplatz oder das Scheren der Hecken in Grünanlagen ein Kontakt zwischen Bewohnern und Asylwerbern entstand. Schon bald seien daraus Freundschaften entstanden, sagt Friewald, Asylwerber seien auch im Sport- und im Musikverein herzlich aufgenommen worden. Die Marktgemeinde sei "zusammengewachsen".

Nicht nur in kleinen Landgemeinden schätzt man die Arbeitsleistung der Asylsuchenden. Auch in Graz kommen regelmäßig rund hundert Asylwerber zum Einsatz. Bei der Graz Holding heißt es, man freue sich über die Unterstützung, zumal die Anforderungen an die Straßenreinigung in der steirischen Hauptstadt in den vergangenen Jahren aufgrund des starken Bevölkerungswachstums gestiegen seien. Ob man in Zukunft noch Interessenten für diese Jobs findet, wenn sie nur noch 1,50 Euro erhalten sollen?

90 Euro sind viel Geld

Für die Betroffenen geht es jedenfalls um viel Geld. Sie erhalten in der Grundversorgung nur 40 Euro Taschengeld. Jene durchschnittlich 90 Euro, die sie von der Stadt Graz erhalten, bedeuten somit mehr als eine Verdreifachung dieses frei verfügbaren Budgets. "Für die Familie eine kleine Besserung herbeizuführen" sei für viele der gemeinnützig Tätigen ein wichtiges Motiv, sagt auch Walter Ferk, Geschäftsführer von Jugend am Werk Steiermark – jener Organisation, die der Stadt Graz die Asylwerber vermittelt. Ferk hält die Kürzung des Stundenlohns für "eine Frotzelei": "Das sind doch alles Arbeiten, die kein Österreicher verrichten will", sagt Ferk. Die Asylwerber würden bei jedem Wetter auf der Straße stehen und Müll einsammeln und Gehsteige reinigen, putzen und Laub zusammenkehren. "Warum soll man etwas, das gut läuft, von einem Tag auf den anderen streichen?"

Einladung von Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).

Spürbar verärgert ist Georg Willi, grüner Bürgermeister in Innsbruck, wo derzeit rund 40 Asylwerber im Rahmen gemeinnütziger Tätigkeiten für die Gemeinde im Einsatz sind: "Was Herr Minister Kickl da vorschlägt, regt mich unbeschreiblich auf." Willi hat den Innenminister daher offiziell eingeladen, mit ihm gemeinsam einen Tag lang solche Arbeiten in Innsbruck für 1,50 Euro pro Stunde zu verrichten. Damit der Minister am eigenen Leib erfahre, was das bedeute. Willi hält den Vorschlag Kickls nämlich für "respektlos", wie er sagt: "Für 1,50 Euro bekomme ich nicht einmal einen Espresso." Er sei schon gespannt, wie der Innenminister seine eigene Idee beurteile, nachdem er diese Erfahrung selbst "hautnah spüren" durfte. (Maria Sterkl, Steffen Arora, 26.3.2019)