Was ist eigentlich mit unserer Gesellschaft los? Die Frage stellt sich, wenn selbst die US-amerikanische Stand-up-Comedian Amy Schumer, die auf der Bühne und via Netflix vor Millionen Menschen über Scheidenpilzinfektionen spricht, sich als Privatperson schämt, in einer Frauenumkleide nach einem Tampon zu fragen. Es gibt Sachen, über die spricht man nicht. Die Periode ist eine davon. Da stimmt doch was nicht! Und ja, wir sollten noch mehr über den weiblichen Unterleib reden.

Frieden schließen mit dem eigenen Körper – dabei hilft die Menstruationstasse.
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Der Intimbereich von Frauen wird immer noch oft als dreckig, grauslich und rein sexuell gesehen. Da unten lieber nichts anfassen, Binden verwenden, "weil Tampons nicht zu trauen ist", das wurde auch Comedian Schumer von ihrer Mutter beigebracht. Die vor allem in Amerika verbreiteten Applikatoren zum Einführen von Tampons sprechen ebenfalls dafür, dass Frauen sich lieber nicht anfassen wollen und sollen.

Ein Hygieneprodukt, das ohne anfassen nicht funktioniert, ist die Menstruationstasse. Sie wird mit den Fingern in der Vagina platziert und so auch wieder entfernt. Beim ersten Mal muss man schon ziemlich herumwerken, bis die Tasse richtig sitzt. Berührungsängste sind hier fehl am Platz. Noch mehr Skills erfordert es, die Tasse wieder rauszubekommen.

Horrorgeschichten im Web

Ja, die Menstruationstasse hat eine hohe Lernkurve. Es braucht ein paar Zyklen Übung, bis sie wirklich gut sitzt und kein Blut daran vorbei und Richtung Unterhose rinnt. Im Internet gibt es viele Horrorgeschichten, etwa über feststeckende Tassen und auslaufendes Blut. Das alles passiert durch falsche Anwendung. Tatsächlich können nur einige wenige Frauen, etwa aufgrund einer Gebärmutterabsenkung, keine Tasse verwenden.

Frauen, die die Tasse nutzen, gehen quasi auf Erkundungstour. Viele machen sich mit dem Verwenden der Menstruationstasse zum ersten Mal Gedanken darüber, wie ihr Körper eigentlich funktioniert. Wie viel Platz ist da drinnen? (Eine Vagina ist im Durchschnitt sieben bis zehn Zentimeter tief.) Was ragt da wie ein Zapfen rein? (Der Muttermund.) Kann die Tasse in mir verschwinden? (Nein.)

Das Einführen der Menstruationstasse kostet mitunter Überwindung, zahlt sich aber aus. Denn wer da drinnen unterwegs ist, kann viel lernen. Etwa dass der Muttermund sich je nach Zeitpunkt im Zyklus anders anfühlt. Das gibt beispielsweise Hinweise darauf, ob man als Frau gerade fruchtbar ist. Eine Methode, die sich die natürliche Familienplanung (in Kombination mit Temperaturmessen) zunutze macht.

Doku am eigenen Leib

Es ist ein bisschen wie mit einer Doku über eine seltene Spezies, die man im Fernsehen sieht. Oder wie bei einer Sportart, die man zum ersten Mal ausprobiert und danach Muskeln spürt, von denen man gar nicht wusste, dass man sie überhaupt hat. Mit dem Unterschied: Man entdeckt das alles daheim im Badezimmer oder auf dem Klo. Der eigene Körper kann einen überraschen. Das bin ich? Wusste ich ja gar nicht. Es ist erstaunlich, was man über sich selbst noch alles erfahren kann.

Und jetzt sieht man sich auch mit dem Anblick des Menstruationsbluts konfrontiert. Es wabert dickflüssig im kleinen Becher herum, besteht zu 50 Prozent aus Gebärmutterschleimhaut. Zum ersten Mal bekommt man nun ein Gefühl für die Menge – 40 bis 65 Milliliter verliert eine Frau im Durchschnitt. Wer weiß schon, wie viel Blut in so einem Tampon oder einer Binde verschwindet?

Viel Mut

Als Nächstes muss die Tasse ausgewaschen werden. Für viele ist hier das Ekelhoch erreicht. Wer noch dazu auf einer öffentlichen Toilette ist, muss vor die Kabine treten und die Tasse im Waschbecken auswaschen. Ein Schritt, der viel Mut erfordert. Schließlich schaut es im Waschbecken dann mitunter so aus, als hätte ein Massaker stattgefunden. Und wenn schon? Das Blut aus der Gebärmutter ist auch nicht viel anders als das aus der Nase oder einer Verletzung am Knie.

Apropos: Wer anderswo am Körper blutet, bekommt Mitleid und Ehrfurcht, ist tapfer, mutig, hart im Nehmen. Frauen verstecken ihr Blut, sprechen oft nicht einmal untereinander über die Menstruation und darüber, was sie ihnen abverlangt – seien es Bauchkrämpfe, Periodendurchfall, Kopfschmerzen oder die Scham, wenn man die blutige Tasse vor anderen im öffentlichen Klo auswaschen will.

Trotzdem scheint die Menstruationstasse immer beliebter zu werden. Es gibt mittlerweile Modelle bei Hofer und Lidl. Der wohl berühmteste Hersteller von Menstruationstassen, das kanadische Unternehmen Diva Cup, ist in den letzten fünf Jahren um 639 Prozent gewachsen. Unternehmen werben mit Sprüchen wie "Schließe dich der inneren Revolution an!", und sie scheinen recht zu haben. Für viele Frauen bedeutet die Tasse eine kleine Revolution. 2011 haben Studienautoren herausgefunden, dass 91 Prozent aller Frauen, die eine Menstruationstasse ausprobiert haben, sie auch verwenden und einer Freundin empfehlen würden – wohl keine Frau war je so ein großer Fan von Tampons.

Kein Entkommen

Die Tasse ebnet einen Weg, trägt zur Enttabuisierung von Menstruationsblut und der Periode bei. Da geht es erstens um einen selbst: Schließlich gibt es kein Entkommen aus dem eigenen Körper, warum also nicht akzeptieren? Das Blut gehört zu einem selbst dazu. Höchste Zeit, es anzunehmen. Keine junge Frau sollte sich vor sich selbst ekeln.

Und die anderen? Ist doch egal, was die denken. Vielleicht müssen einfach nur mehr Frauen damit anfangen, ihr Blut ohne Scham in öffentliche Waschbecken zu kippen.

Auch okay

Dass Frauen sich nicht für ihre Periode schämen sollten, findet auch Comedian Amy Schumer. Das Herausnehmen der Menstruationstasse vergleicht sie mit einer blutigen Szene aus Quentin Tarantinos "Kill Bill". Schumer spricht an, was Frauen bewegt. Junge Frauen, die ihr zuhören, haben das Gefühl, endlich dort im Leben abgeholt zu werden, wo sie gerade stehen.

Und irgendwie macht die Menstruationstasse das auch. Sie zeigt, was immer da war: das Blut. Und wie unser Körper funktioniert. Wer das erst einmal herausgefunden hat, für den ist vielleicht auch okay, was die Menstruation sonst noch so macht – etwa die Angst davor, Blutflecken auf der Hose oder einem Hotelzimmerleintuch zu hinterlassen.

Wenn das Blut aus der Menstruationstasse in die Toilette geleert wird, die rote Flüssigkeit auf den Boden sinkt und dabei feine, rosa Fäden durchs Wasser zieht, sieht das fast ein bisschen aus wie Kunst. Ein Kunstwerk, das daran erinnert, wozu der weibliche Körper fähig ist. Zum Glück gibt es die Menstruationstasse, die uns das endlich zeigt. (Bernadette Redl, 11.4.2019)