Machtgeil

Gelernte Österreicherinnen und Österreicher kennen das Muster, welches Parteien, die jeweilig die Macht im Dorf, in der Stadt, im Bundesland oder gar im Bund innehaben, bei der Besetzung wichtiger Posten verfolgen. Von der Schuldirektion bis zur hochministeriellen Abteilungsleitung wiederholt sich (nicht immer) das Schauspiel des Machtbeweises: logische Kandidatinnen oder Kandidaten an verantwortliche Stellen setzen können alle, aber nicht wirklich (oder auch wirklich nicht) geeignete Personen zu befördern, das stellt die Macht einer Partei erst so richtig unter Beweis.

Wer es schafft, vor versammelten Gremien und in aller Öffentlichkeit jene zu bevorzugen, die es eigentlich nicht verdient haben, bewirkt nicht nur, dass die so Beförderten in ewiger Dankbarkeit zu devoten Dienenden degenerieren. Viele kritische Stimmen werden verstummen, wenn offensichtlich wird, dass Qualifikation nur ein geflügeltes Wort ist, sobald die Macht bewiesen werden will. 

Machtgeiler

Mit Entsetzen verfolgen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, wenn sich die aktuelle Regierung anschickt, nachweislich Unsinniges zu tun. So muss neuerdings ein Frauenministerium nicht unbedingt für Frauenrechte sein, ein Sozialministerium nicht sozial und die Pressefreiheit ist neuerdings mehr ein Problem, denn eine hohes Gut. Statistiken will sich der Staat lieber gleich selber schreiben und die drei Geheimdienste des Landes sind ohnehin längst in der Reichweite von Rechtsextremen.

"Wir machen das, weil wir es können." So dürfte die gefährliche Drohung von Norbert Hofer, "Sie werden sich noch wundern, was alles geht", nun langsam machtgeiler umgesetzt werden, als viele sich die vorstellen wollten.

Kurz und Strache am Zenit ihrer Macht.
Foto:REUTERS/Leonhard Foeger

Am machtgeilsten

Nicht mehr Rechtfertigbares trotz massivster Bedenken vieler anderer einfach umzusetzen, ist wohl die höchste Steigerung der Machtgeilheit. Menschen sehenden Auges ertrinken zu lassen, andere Menschen, die sich deren Rettung verschrieben haben, zu kriminalisieren und vor Gericht zu zerren, das ist ultimativ geil. Junge Menschen, die lernen, arbeiten und für sich selbst sorgen könnten, aus ihren Ausbildungsstätten und Unterkünften wie Schwerverbrecher zu verhaften und in todbringende Gebiete zu deportieren, das ist der feuchte Traum der Xenophoben.

Und mit Xenophobie war immer schon gut politisches Geschäft zu machen. Die Lust am Treten gegen die Schwachen zu fördern, die Freude am Erniedrigen zu fördern und Menschen mitten in unserer reichsten Gesellschaft das Leben "so ungemütlich wie möglich zu machen", das ist politisch erfolgreich.

Da könnten zivilgesellschaftliche Dämme brechen, die dem Hass und der Wut des Mobs Tür, Tor und Straßen öffnen. Ohne Tempolimit.

Dumm nur, dass die einen zwar die Mächtigen wählen gehen, aber deshalb niemals selbst in die Nähe der Macht gelangen, während die anderen, die in die Möglichkeiten der Machtausübung gewählt werden, sich immer weniger um Partizipation scheren müssen. Macht zementiert Macht. 

Wir können noch lange auf die machtgeil Agierenden schimpfen, es wird ohne Folgen bleiben. So lange das Volk der Faszination an dieser Geilheit erliegt und die Machtgeilsten wählt, selbst wenn sie sich mit offenen Extremisten an einen Tisch setzen, dreht sich die Spirale der Steigerung immer schneller, die letztlich auch in den Terror führen kann: Machtgeil, machtgeiler, am machtgeilsten. (Bernhard Jenny, 29.3.2019)

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