Strache Partei ist eine Nähe zu den Identitären nicht abzustreiten.

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Wien – Auf den ersten Blick sind die Identitären junge Leute, die Angst um ihre Heimat haben; die auf ihrer Homepage um Spenden für einen Bus bitten, um für Aktionen mobil zu sein; die politisch sein wollen und sich engagieren. Schon auf den zweiten Blick wird klar, dass da eine handfeste Ideologie dahintersteckt – wohl auch eine Mission. Identitären-Chef Martin Sellner warnt kämpferisch vor dem "großen Austausch", fordert "Remigration", will andere dafür gewinnen, "Europa zu verteidigen". Der erklärte Feind sind Flüchtlinge, Migranten, alle mit anderer "kultureller Identität".

Auffällig ist die Gruppe, die nach eigener Angabe in Österreich 45 Mitglieder und mehr als 600 Unterstützer hat, seit mehreren Jahren. Sie hat das Büro der steirischen Grünen mit Kunstblut übergossen, die Aufführung eines Stücks von Elfriede Jelinek gestürmt, sie demonstriert regelmäßig. Politikwissenschafter und der Verfassungsschutz bezeichnen die Identitären als offen rechtsextrem.

Razzia und Medienrummel

Am Montag fand in Sellners Wohnung eine Razzia statt. Er hat auf "ein privates Spendenkonto", wie es seitens der Staatsanwaltschaft Graz heißt, Geld von jenem Mann bekommen, der bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch 50 Menschen tötete.

1500 Euro überwies er Sellner. Wie die Identitären berief sich auch der Attentäter auf den "großen Austausch", der ihn antreibe. Nun wird ermittelt, ob es weitere Verbindung nach Österreich gab.

Sellner machte die Hausdurchsuchung selbst in einem Video-Blog publik. Er sieht sich als Opfer. Die Regierung erklärte am Mittwoch nichtsdestoweniger, die Auflösung seiner Organisation zu prüfen.

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Der Identitären-Chef – außer Vereinsobmann auch Philosophiestudent – steht nun im Zentrum der Aufmerksamkeit. Im Interview mit dem Ö1- Mittagsjournal erklärt Sellner: "Ich halte das für einen relativ hilflosen Versuch, auf diese Empörungsmaschinerie, die wir gerade erleben, zu reagieren." Die Identitären seien von der türkis-blauen Regierung enttäuscht. Am Freitagnachmittag will Sellner in einem Café in Währing Fragen zur Causa beantworten.

So viel Medieninteresse wie derzeit bekamen die Rechtsextremen nicht einmal, als 17 Mitgliedern der Identitären – darunter auch Sellner – kürzlich der Prozess gemacht wurde. Der Vorwurf lautete Verhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Jänner wurden sie vom Grazer Oberlandesgericht freigesprochen. Dass sie zum Hass aufstacheln, könne nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, lautete die Urteilsbegründung.

Verfassungsschutz ermittelt

In der aktuellen Angelegenheit rund um die Spende ist nun das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung aktiv. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) kündigten schonungslose Aufklärung an. Wobei man dazusagen muss: Es gab immer wieder Verbindungen zwischen Freiheitlichen und Identitären.

Fraglich ist auch, wie aussichtsreich es ist, dass die Organisation aufgelöst wird. Denn rechtlich ist das nicht so einfach. Sellner hat im Jahr 2012 den "Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität" gegründet, womit die Identitäre Bewegung ins Leben gerufen wurde. Einen Verein kann man grundsätzlich natürlich auflösen, erklärt der Verfassungsjurist Heinz Mayer im Gespräch mit dem STANDARD. Eine Geldspende von einem Extremisten reiche dafür allerdings noch nicht aus.

Mögliche Wiederauferstehung

Im Vereinsgesetz ist festgehalten, dass Vereine aufgelöst werden können, wenn gegen Strafgesetze verstoßen oder der statutenmäßige Wirkungskreis überschritten wird. Auch der Vereinsrechtsexperte Maximilian Kralik sieht die Auflösung als unwahrscheinlich an. Die Vereinigungsfreiheit sei in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert, die in Österreich im Verfassungsrang steht. "Daher ist jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit gleichzeitig auch ein Grundrechtseingriff", sagt er im Interview mit Ö1.

Prüfen könne man allerdings, ob die Identitären durch ihr Auftreten oder den Kontakt mit Neonazis dem Verbotsgesetz zuwidergehandelt haben, erklärt der Jurist Mayer. Er weist aber auch darauf hin, dass man eine neue Vereinsgründung nach der Auflösung der Identitären kaum verhindern könne. Es sei dann lediglich untersagt, dass dieselben Personen einen Verein mit demselben Zweck ins Leben rufen, erklärt Mayer.

Kurz: "Keine Toleranz"

Kanzler Kurz versichert: "Keine Toleranz für gefährliche Ideologien, ganz gleich, aus welcher Ecke sie kommen." Er betont aber auch, dass eine Auflösung des Vereins keine Entscheidung der Politik, sondern eine der Behörden sei. Am Donnerstag soll Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im Nationalrat eine Erklärung zur Causa abgeben.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass die Regierung prominent die Prüfung einer Vereinsauflösung bekanntgibt: Voriges Jahr hatte Kurz nach dem Skandal um rassistische und NS-verherrlichende Liedertexte die Burschenschaft Germania im Visier. Das Auflösungsverfahren wurde schließlich eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen wegen Verjährung beendet. (Katharina Mittelstaedt, 27.3.2019)