Wien – In der Theorie sollten Klassen mit großen Herausforderungen etwa aufgrund eines hohen Anteils an Migranten oder an Kindern aus sozial schwächeren Familien von den besten Lehrern unterrichtet werden. In der Realität ist es umgekehrt, zeigt der Nationale Bildungsbericht 2018: Weniger erfahrene oder fachfremde Pädagogen unterrichten tendenziell öfter Klassen mit schwierigen Rahmenbedingungen.

Für Österreich liegen zwar nur etwas ältere Daten für die Hauptschule (heute: Neue Mittelschule/NMS) vor. Diese könnten jedoch durchaus verwendet werden, da sich die Mechanismen der Lehrerzuteilung seither nicht geändert hätten, schreiben die Studienautoren.

An den Hauptschulen zeigte sich etwa ein Zusammenhang zwischen Berufserfahrung der Lehrer und der Zahl der Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache: Je höher der Anteil der Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache, desto höher auch jener der Lehrer mit geringer Berufserfahrung. Gleichzeitig wird an Schulen mit mehr nichtdeutschsprachigen Schülern auch etwas häufiger fachfremd unterrichtet – also durch Pädagogen, die für das entsprechende Unterrichtsfach nicht ausgebildet sind.

AHS besser ausgestattet

An den AHS-Unterstufen gibt es dieses Phänomen nicht – im Gegenteil: Dort ist der Anteil der erfahrenen Lehrkräfte in Schulen mit höherem Anteil an Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache höher.

Mögliche Gründe für den Effekt an Hauptschulen: Am Beginn der Karriere könnte die Möglichkeit, benachteiligten Schülern zu helfen, eine größere Rolle spielen. Außerdem sei die Personalfluktuation an benachteiligten Schulen höher – das führt automatisch zu mehr freien Stellen für frisch ausgebildete Pädagogen. Denkbar sei auch, dass Schulen mit vielen freien Stellen ihre Anstellungserfordernisse senken und deshalb zur Besetzung von Stellen auch Lehrkräfte anstellen, die fachfremd unterrichten müssen. Innerhalb von Schulen könnte auch das Senioritätsprinzip bei der Erstellung der Stundenpläne eine Rolle spielen: Berufseinsteiger bekommen die "schwierigeren" Klassen, etablierte Pädagogen suchen sich die "einfacheren" aus.

Verstärkt werden könnte die Entwicklung durch die neue Schulautonomie: Bisher funktionierte die Zuteilung der Lehrer an die einzelnen Schulen weitgehend zentralisiert über die Landesschulräte (heute: Bildungsdirektionen). Künftig sollen sich die Schulen die Lehrer verstärkt selbst aussuchen dürfen. "Somit kann es zu einer Verstärkung der ungleichen Verteilung von Lehrkraftqualität kommen, da segregierte Schulstandorte wenig attraktiv für Lehrkräfte sind", heißt es in der Studie.

Mögliche Gegenmaßnahmen: Höhere Gehälter für den Unterricht an benachteiligten Schulen, bessere Arbeitsbedingungen an diesen Standorten sowie Mentoring für Junglehrer.

Mitherausgeber und Bildungsforscher Ferdinand Eder plädierte vor Journalisten dafür, dass Lehrer künftig nach sachlichen Kriterien den Klassen zugeteilt werden. Es sei zwar aus individueller Sicht nachvollziehbar, dass erfahrene Lehrer nicht in schwierigen Klassen unterrichten wollen, systemisch habe das allerdings "destruktive Folgen". (APA, 27.3.2019)