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"Asoziale Mieterhöhung": Im Februar machten Mieter im Berliner Bezirk Friedrichshain mit lebensgroßen Puppen auf steigende Mieten und Gentrifizierung aufmerksam.

Foto: Reuters/Hannibal Hanschke

Wien – In immer mehr EU-Staaten kommen Niedrigverdiener bei den Wohnkosten unter Druck. An einer detaillierteren Gesamtbetrachtung der einzelnen Problemstellungen in den Mitgliedsländern mangelt es aber, weil Wohnen grundsätzlich Sache der Nationalstaaten beziehungsweise deren Regionen ist.

Die Plattform "Housing for all" startet nun aber eine konzertierte Kampagne, deren Kernelement eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) ist. Initiatorin ist die Österreicherin Karin Zauner-Lohmeyer, die im vergangenen Herbst in Wien schon die internationale Tagung "Housing for all" in der Zentrale von Wiener Wohnen organisiert hatte. Weitere Unterstützer der Aktion kommen aus 15 europäischen Ländern.

Fünf Forderungen

Fünf konkrete Forderungen hat man formuliert:

  • Erleichterung des Zugangs für alle zu leistbarem und sozialem Wohnbau
  • keine Anwendung der Maastricht-Kriterien auf öffentliche Investitionen in bezahlbaren und sozialen Wohnbau
  • besserer Zugang zu EU-Finanzmitteln für gemeinnützige und nachhaltige Wohnbauträger
  • soziale und wettbewerbsgerechte Regeln für Kurzzeitvermietungen über Online-Plattformen
  • kleinräumige statistische Erfassung des Wohnbedarfs in Europa

"Wohnen ist ein ‚Big Business‘ geworden", sagte Zauner-Lohmeyer bei einem Pressegespräch am Mittwoch. Ganze Stadtteile würden mittlerweile "in Erwartung hoher Profite aufgekauft", was dazu geführt habe, dass es in vielen Städten für bestimmte Berufsgruppen keinen Wohnraum mehr gebe.

Eine Million Unterschriften als Ziel

Ziel ist es nun, bis März 2020 eine Million Unterschriften zu sammeln bzw. in mindestens sieben Staaten eine festgelegte Mindestanzahl an Unterstützungserklärungen zu erreichen (in Österreich sind es 14.250), damit die Anliegen der Initiative von der EU-Kommission und vom Europäischen Parlament behandelt werden müssen.

In Österreich ist der gemeinnützige Verein "Europeans for affordable housing – Für bezahlbares Wohnen in Europa" offiziell Träger der Initiative, er wurde im Dezember gegründet. "Parteien dürfen in dem Verein nicht Mitglied werden, und es werden auch keine Spendengelder von Parteien angenommen", erklärte Zauner-Lohmeyer. Unterstützt wird die Initiative dafür unter anderem von Diakonie, Volkshilfe, Armutskonferenz, Arbeiterkammer, Mietervereinigung, Gewerkschaften, der Hochschülerschaft und der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (Bawo).

Obdachlosigkeit als "Menschenrechtsverletzung"

Wohnen sei ein Menschenrecht, Wohnungslosigkeit demzufolge "eine Menschenrechtsverletzung", sagte Bawo-Obfrau Elisabeth Hammer. 700.000 Menschen seien im Vorjahr in Europa zumindest für eine Nacht obdachlos gewesen. Andrej Holm, Soziologe aus Berlin und ebendort 2016/17 kurzzeitig Staatssekretär in der rot-rot-grünen Landesregierung, zuständig für Stadtentwicklung und Wohnen, sagte, dass in ganz Deutschland derzeit selbst unter optimalsten Verteilungsbedingungen der noch vorhandenen Sozialwohnungen zwei Millionen dieser günstigen Wohneinheiten fehlen würden.

Die Vertreterinnen aus Ungarn und Spanien am Podium, Vera Kovács und Toni Vazquez, kritisierten ebenfalls den großen Mangel an Sozialwohnungen in ihren Ländern. Der hohe Bestand an Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen in Wien sei "wie ein Traum für uns", betonte Vazquez. In Spanien fänden jeden Tag im Schnitt 150 Delogierungen statt, berichtete die Aktivistin der spanischen "Plattform gegen Zwangsräumungen". (Martin Putschögl, 28.3.2019)