Eine Autotür öffnet sich, zum Vorschein kommen Beine in High Heels. Eine Frau mit Maschinenpistole steigt aus, von hinten ist ihr hinkender Gang zu sehen. Wenn Bonnie Parker auftritt, braucht es keine langen Vorreden und kein Gesicht. Wenige visuelle Kürzel genügen, um klar zu machen, dass hier die weibliche Hälfte des Gangsterduos Bonnie & Clyde zur Sache geht.

Netflix

Dass das Outlaw-Pärchen in der neuen Netflix-Produktion "The Highwaymen" nach dieser ersten Begegnung auf Distanz gehalten wird und nur noch sporadisch auftaucht, dass die Kehrseite seines glamourösen Mythos gezeigt werden soll. Im Fokus stehen mit Frank Hamer (Kevin Costner) und Maney Gault (Woody Harrelson) jene aus dem Ruhestand geholten Männern, die Bonnie Parker und Clyde Barrow schließlich im Mai 1934 in einem Kugelhagel zur Strecke brachten.

Ruhm zu Lebzeiten

Davor hatten Bonnie und Clyde mit ihrer Gang im Amerika der Depressionszeit innerhalb von vier Jahren ein gutes Dutzend Banken, zahlreiche Tankstellen und Geschäfte überfallen und mindestens neun Polizisten sowie mehrere Zivilisten getötet. Fotos, auf denen sie posierten, Zeitungs- und Wochenschauberichte sorgten noch zu Lebzeiten für Ruhm.

Die Verehrung für das Killerpärchen übersteige jene von Filmstars, benennt ein Beamter in "The Highwaymen" den initialen Skandal, der beseitigt werden soll. Dass ausgerechnet zwei einstige Mitglieder der damals vorübergehend aufgelösten, schwer zu gängelnden Texas Rangers Abhilfe schaffen sollen, ist der von Kathy Bates verkörperten Mariam "Ma" Ferguson zusätzlich ein Dorn im Auge: Die erste Gouverneurin von Texas hatte eigentlich auf ein neues, von Steuergeld finanziertes Strafverfolgungsprogramm gehofft. Stattdessen ziehen zwei alte Männer in speziellem Auftrag, getarnt als einfache "Highwaymen" los.

Regisseur John Lee Hancock stellt sich mit seinem Film quer zu Arthur Penns "Bonnie und Clyde", der mit Faye Dunaway und Warren Beatty in den Titelrollen bis heute nachhaltigsten Adaption der Saga der Barrow-Gang. Zugleich lieferte Penns Film 1967 mit seinen erzählerischen und formalen Innovationen einen Startschuss für das New Hollywood. Hancock orientiert sich in "Highwaymen" allerdings lieber an den Konventionen des klassischen Hollywood, zapft aber auch Western-Mythen an.

Am Ende zählt nur die Kunst des Zitats

Die beiden Vertreter des Gesetzes gehorchen bei ihm vor allem dem Ethos des "A man’s gotta do what a man’s gotta do". Einerseits versuchen sie wie Cowboys so weit wie möglich die Unabhängigkeit von Institutionen zu bewahren. Andererseits würden sie als nüchterne Profis gut in die klassischen Filme von Howard Hawks ("Rio Bravo") passen.

Ein schmerbäuchiger Kevin Costner füllt seine Rolle mit der passenden Lakonie aus. Woody Harrelson hat als sein Buddy gewissermaßen die Seiten gewechselt: 1994 verkörperte er in Oliver Stones, ebenfalls von "Bonnie and Clyde" inspirierten Satire "Natural Born Killers" den Massenmörder Mickey Knox. Während in Stones schwarzhumoriger Satire die Kindheit des Killerpärchens ein wesentliches Thema ist, wird die traumatische Vergangenheit in "Highwaymen" als Rechtfertigung für die Killer nur angerissen. Stattdessen liefert im Gegenzug die Kindheit ihres Verfolgers Gründe, warum dieser nicht wie ursprünglich vorgesehen Priester, sondern ein Texas Ranger wurde – und als solcher zusammen mit Gault bei einem einzigen Einsatz mehr als 50 Menschen tötete. Am interessantesten ist "The Highwaymen" dort, wo moralische Ambivalenzen offen zu Tage treten.

Am Ende bekommt das jugendliche Gangsterduo doch noch Gesichter, wenn es für einen Moment schreckensstarr die übermächtigen Verfolger anblickt. Spätestens hier ist dann klar, dass ein altmodisches Buddy Movie, das sein Herz am rechten Fleck wähnt, einen im popkulturellen Gedächtnis gefestigten Mythos zwar zitieren und variieren, ihm aber letztlich nichts anhaben kann. (Karl Gedlicka, 30.3.2019)

Woody Harrelson (li.) und Kevin Costner als aus der Rente geholte Texas Ranger, die Bonnie und Clyde zur Strecke bringen sollen.
Foto: Netflix/Hilary B Gayle/SMPSP