Herbert Kickl am Donnerstag im Nationalrat: Für den blauen Innenminister geht die größte Gefahr immer noch vom islamistischen Terror aus.

Foto: APA / Roland Schlager

Wien – Angesichts der publik gewordenen Spende des Moscheen-Attentäters im neuseeländischen Christchurch an Identitären-Sprecher Martin Sellner gab Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Donnerstag eine Erklärung im Nationalrat zum jüngsten Stand der Ermittlungen ab. Wie berichtet, fand bei Sellner deswegen eine Hausdurchsuchung statt.

In seiner Rede hielt Kickl unter anderem fest, dass die größte Gefahr immer noch vom islamistischen Terror ausgehe. Die Sicherheitslage hierzulande habe sich "in keiner Weise verändert". Österreich gelte "nicht als eines der primären Zielländer" von Terror. Vom Terrorakt in Neuseeland, bei dem 50 Menschen ermordet wurden, zeigte sich Kickl "entsetzt und betroffen".

Neu bei Kickls Ausführungen war, dass der Attentäter seine Nordkorea-Reise im Jahr 2014 in einer Gruppe unternahm, in der sich auch drei Österreicher befanden. Aufgabe auch der österreichischen Sicherheitsbehörden sei es nun, die Hintergründe der Tat genauestens aufzuarbeiten und allen Hinweisen und Spuren nachzugehen, das betreffe auch mögliche Verstrickungen und Netzwerke hierzulande – es könnten dabei aber "auch umgekehrt Befürchtungen entkräftet werden".

Eine Woche in Österreich

Dazu gab Kickl genaue Eckdaten zum hiesigen Aufenthalt des Christchurch-Attentäters bekannt: Der Mann habe Österreich vom 27. November bis zum 4. Dezember 2018 aus Ungarn kommend bereist, 2.000 Kilometer per Leihauto zurückgelegt und sei dann in die estnische Hauptstadt Tallinn weitergereist.

Die Behörden seien nun am Ermitteln, ob es Kontakte zu extremistischen Personen, Gruppierungen oder Netzwerken hierzulande gegeben habe. Derzeit seien solche "nicht bekannt", es gebe nur den Nachweis einer Spende an Identitären-Sprecher Sellner, deren Motiv und Umstände man untersuche. Kickl erinnerte daran, dass umgehend ein Auflösungsverfahren durch die Landespolizeibehörden eingeleitet wurde – und zwar gegen zwei Vereine in Graz und einen in Linz.

Auch die Ermittlungen gegen das von deutschen Bundeswehr- und Sicherheitsbehördenmitgliedern gebildete Netzwerk "Schattenarmee" sprach der Minister an, das sich auf den "Tag X" eines Systemumsturzes vorbereitet und Todeslisten angelegt haben. Dazu erinnerte Kickl auch an die Festnahme eines mutmaßlichen irakischen Terroristen in einem Wiener Gemeindebau, der Anschläge gegen ICE-Züge in Deutschland geplant haben soll.

All das wertete der Minister als Beleg dafür, dass die Zusammenarbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz mit ausländischen Partnerdiensten hervorragend funktioniere.

Empörung und Stehpräsidiale

Doch SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried hielt zu Kickls Erklärung fest, dass das Gespenst des Rechtsextremismus in Österreich "zur Plage" zu werden drohe. In Anspielung auf die Affären rund um den Verfassungsschutz, im Zuge derer unter anderem die Leiterin des Extremismusreferats "aus dem Amt gemobbt werden" sollte, rief Leichtfried dem Innenminister zu: "Herr Kickl, Sie haben uns de facto wehrlos gemacht!" Dazu erwähnte er, dass Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), ebenfalls auf der Regierungsbank, die Identitären auf Facebook "hofiert" habe und dass Kickl selbst Reden vor solchem Publikum gehalten habe.

FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz, als Nächster am Rednerpult, hielt daraufhin ein Foto von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit Sellner hoch, das offenbar im Zuge von dessen Straßenwahlkampf angefertigt wurde, und fragte in Richtung Opposition: "Das ist unser Staatsoberhaupt Van der Bellen, aber da sind Sie blind!" Als Rosenkranz auch noch die frühere Tätigkeit von Altbundespräsident Heinz Fischer für die österreichisch-nordkoreanische Gesellschaft erwähnte, forderte Kai Jan Krainer von der SPÖ eine achtsamere Vorsitzführung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein.

Der berief prompt eine Stehpräsidiale ein – und mahnte die Abgeordneten danach wegen des "heiklen Themas" zu mehr Sorgfalt bei der Wortwahl, aber auch bei den Zwischenrufen.

ÖVP fordert Schulterschluss

ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon befand sogleich, dass das Thema nicht dazu geeignet sei, politisches Kleingeld zu wechseln. Er selbst sei jedenfalls so altmodisch, dass er sich hier so etwas wie einen Schulterschluss erwarte.

Neos-Mandatarin Irmgard Griss rief angesichts der Geisteshaltung des Christchurch-Attentäters dazu auf, "den Anfängen" zu wehren. Und auch Jetzt-Abgeordnete Alma Zadic wies noch einmal auf einen Auftritt von Kickl bei einem Kongress in Linz hin, an dem auch die Identitären teilnahmen.

Van der Bellen rät: Kontakt meiden

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte zu der aktuellen Debatte im APA-Gespräch: "Jeder Mensch und jede politische Gruppierung tut gut daran, jeden echten oder scheinbaren Kontakt zu diesen Rechtsextremisten zu meiden und darauf zu achten, welche Wortwahl man in politischen Äußerungen verwendet." Zu Rosenkranz' Hinweis, dass auch er mit Sellner auf einem Foto abgebildet sei, erklärte das Staatsoberhaupt, hier müsse er FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache Recht geben, dass so etwas passieren könne: "Tausende Leute fragen dich um ein Selfie, da fragt man nicht, wer sie sind." (Nina Weißensteiner, 28.3.2019)