Wien – Sollte die Regierung die Lohn- und Einkommensteuer wie angekündigt an die Inflation anpassen, könnte die kalte Progression trotzdem teilweise erhalten bleiben. Darauf verweist das industrienahe Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria. Direktor Tobias Thomas plädiert daher dafür, die Steuertarife nicht an die Preis-, sondern an die Lohnsteigerung zu koppeln. Für den Finanzminister wäre das aber deutlich teurer.

Die "kalte Progression" bezeichnet eine versteckte Steuererhöhung, die dem Staat bei jeder Lohnerhöhung Mehreinnahmen bringt. Denn ein Teil des jährlichen Lohnplus deckt lediglich die Inflation ab, führt also zu keiner realen Steigerung des Einkommens, sehr wohl aber zu einer höheren Steuerlast. Bisher wurden diese Mehreinnahmen alle paar Jahre bei Steuerreformen "zurückgegeben". Ab 2022 will die Regierung die kalte Progression aber abschaffen und die Steuertarife automatisch an die Inflation anpassen.

Thomas hat nun gemeinsam mit seinem Kollegen Ludwig Strohner verschiedene Varianten dafür durchgerechnet. Eines vorweg: Würde die Regierung die angekündigte Reform nicht durchführen, dann würde die kalte Progression die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler binnen zehn Jahren in Summe 66,3 Milliarden Euro kosten. Dieses Körberlgeld würde der Finanzminister laut den Eco-Austria-Berechnungen also durch die "kalte Progression" einnehmen.

Von der Ausgestaltung abhängig

Wie viel Geld dem Fiskus durch die Zurückdrängung der kalten Progression entgehen würde, hängt nun von der Ausgestaltung ab: Wird der Steuertarif – wie zuletzt kolportiert – immer erst dann an die Inflation angepasst, wenn die Inflation fünf Prozentpunkte übersteigt, dann wäre der Effekt der kalten Progression zwar gedämpft, aber weiterhin vorhanden. Über zehn Jahre würde das die privaten Haushalte 23,8 (statt 66,3) Milliarden Euro kosten. Bei einer Inflationsrate von 1,9 Prozent pro Jahr würde der Schwellenwert bei einem Beschluss 2022 erst 2025 erstmals überschritten. Aber auch eine jährliche Inflationsanpassung des Tarifs würde die Steuerzahler laut den Berechnungen des industrienahen Instituts binnen zehn Jahren immer noch 15 Milliarden Euro kosten.

Thomas empfiehlt der Regierung daher, die Steuertarife nicht an die Inflation anzupassen, sondern an die durchschnittliche Lohnentwicklung. Denn damit würde die Steuerbelastung privater Haushalte den Berechnungen zufolge konstant bleiben. Als Vorbilder sieht Thomas diesbezüglich Dänemark, Norwegen und Schweden. "Die Indexierung des Steuertarifs ist auch ein Signal im internationalen Wettbewerb, in dem Standorte nicht nur um die Ansiedlung von Unternehmen, sondern insbesondere auch um Fachkräfte werben", meint Thomas. Der dadurch entstehende "Finanzierungs- und Konsolidierungsbedarf" im Budget sollte aus seiner Sicht durch transparente Parlamentsbeschlüsse bewältigt werden und nicht über die kalte Progression "durch die Hintertür". (APA, 29.3.2019)