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Donald Trump und sein Justizminister William Barr (re.) begrüßten US-Sheriffs im Weißen Haus.

Foto: AP/Evan Vucci

William Barr, so schimpft Nancy Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, verhalte sich wie ein herablassender Oberlehrer, der seinen Schülern nicht zutraue, einen längeren Text zu verstehen. "Danke, Herr Justizminister, aber wir brauchen Ihre Interpretation nicht! Zeigen Sie uns den Bericht, dann können wir unsere eigenen Schlüsse ziehen."

Ginge es nach dem Willen der US-Demokraten, müsste der Bericht Robert Muellers, des Sonderermittlers der Russlandakte, spätestens am Dienstag, 2. April, veröffentlicht werden. Einige Passagen womöglich geschwärzt, um Geheimdienstquellen zu schützen – ansonsten aber in voller Länge. Barr denkt aber gar nicht daran, sich an die Frist zu halten. Womit er sich den geballten Zorn der Opposition zuzieht. Barr bewegt sich angesichts der Kritik: Er will den Bericht nun bis Mitte April veröffentlichen, wie er den Vorsitzenden des Justizausschusses im Kongress laut "New York Times" schrieb.

Als US-Präsident Donald Trump den 68-jährigen New Yorker an die Spitze des Justizressorts berief, hielt sich die Aufregung noch in Grenzen. Barr ist ein Konservativer der alten, gemäßigten Schule. Eigentlich eine klassische Figur jenes Establishments, dem Trump mit populistischen Parolen den Kampf angesagt hatte. Schon unter George Bush senior war er Justizminister gewesen.

Handlager der Macht

Seine Fachkompetenz bezweifelt niemand – was sich keineswegs von allen Kabinettsmitgliedern sagen lässt. Als die Senatoren die Personalie im Februar bestätigten, gaben neben den Republikanern auch drei Demokraten dem Veteranen ihren Segen. Angesichts der verhärteten Fronten in Washington konnte das fast schon als Ausnahmefall pragmatischer Kompromissbereitschaft gelten. Davon ist nun nichts mehr zu spüren: Trumps Widersacher sehen in Barr nur noch einen Handlanger der Macht, der verschleiert, statt Transparenz an den Tag zu legen.

Kleines Detail am Rande: Vor zwei Jahren lehnte er es ab, als persönlicher Anwalt – formell nicht dem Weißen Haus zugeordnet – bei Trump anzuheuern. Warum, hat er bei den Anhörungen im Senat so begründet: "Ich wollte meinen Kopf nicht in diesen Fleischwolf stecken." Es klingt umso ironischer, weil es die Lage beschreibt, in der sich der Mann, der gern großväterliche Gelassenheit ausstrahlt, heute befindet.

Trump lässt keine Gelegenheit aus, um einen vermeintlich glänzenden Sieg zu feiern. Und solange nicht bekannt ist, was im Einzelnen in Muellers Bericht steht, ist es schwer, ihn zu widerlegen, ohne als schlechter Verlierer dazustehen. Durch Barrs Hinhaltetaktik könne Trump noch wochenlang eine Ehrenrunde nach der anderen drehen, rügt Elijah Cummings, in der Abgeordnetenkammer Chef des Ausschusses für Regierungskontrolle.

Mueller, das ist mittlerweile durchgesickert, hat auf 300 bis 400 Seiten aufgeschrieben, was seine Juristen und Detektive in zweijähriger Kleinarbeit herausfanden. Barr fasste es auf ganzen vier Seiten zusammen – und während Mueller offenließ, ob Trump die Justiz behinderte, hat er die Frage mit Nein beantwortet. Er hat ein Fazit gezogen, mit dem sich die Demokraten nicht abspeisen lassen wollen.

Was Trump unter Ehrenrunden versteht, konnte man am Donnerstag in Michigan beobachten, einem der Staaten des "Rostgürtels", denen er 2016 seinen Wahlsieg verdankte. "Sorry, aber sie werden zur Verantwortung gezogen werden", sagte er auf einer Kundgebung über Kritiker, denen er die Schuld gibt, dass Mueller überhaupt ermittelte. "Ich habe eine bessere Bildung als sie, ich bin klüger als sie, ich ging auf die besten Schulen. Sie nicht. Viel schöneres Haus, viel schöneres Apartment, alles viel schöner. Ich bin Präsident. Und sie nicht. Und dann sagen sie über sich: Elite, Elite, Elite." Nein, das sei keine Elite, schob er hinterher. Mehr denn je sei es nötig, sein Wahlkampfmotto umzusetzen: den Sumpf Washingtons trockenzulegen.

Auf Konfrontationskurs

Wie schon so oft hat sich Trump auf einen Lieblingsfeind eingeschossen. Der heißt diesmal Adam Schiff, leitet den Geheimdienstausschuss im Repräsentantenhaus und hat bereits angekündigt, Trumps Russlandkontakte nochmals unter die Lupe zu nehmen. Nachdem Trump ihn aufforderte, sein Mandat niederzulegen, vergleichen ihn dessen Mitstreiter mit Joseph McCarthy, dem Senator, dessen Hexenjagd im Kongresskomitee für unamerikanische Aktivitäten die antikommunistische Hysterie auf die Spitze trieb. Schiff, wettert Kevin McCarthy, Fraktionschef der Republikaner in der Abgeordnetenkammer, habe den Ruf eines unschuldigen Mannes, des Präsidenten, in den Schmutz gezogen. "Alles Angsthasen", kontert Nancy Pelosi. "Wovor sie sich wirklich fürchten, ist die Wahrheit." (Frank Herrmann aus Washington, 30.3.2019)