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Eine Einigung in London erscheint immer unwahrscheinlicher.

Foto: ap alastair grant

London/Brüssel – Einige EU-Politiker haben entsetzt auf die erneute Ablehnung aller Brexit-Optionen im britischen Unterhaus reagiert. "Ein harter Brexit wird nun fast unausweichlich", schrieb der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, am Montagabend auf Twitter. "Am Mittwoch hat Großbritannien die letzte Chance, die Blockade zu durchbrechen oder in den Abgrund zu blicken."

Der SPD-Europapolitiker Jens Geier sprach von einer "inzwischen lächerlichen Selbstblockade im britischen Parlament" und forderte: "Einer Verlängerung der EU-Mitgliedschaft über den 12. April hinaus kann die Europäische Union nur mit der gleichzeitigen Ansage eines zweiten Referendums stattgeben." Das übrige politische Europa betrachte den Machtkampf in London "inzwischen überwiegend gelangweilt", meint Geier.

Trotz der Brexit-Blockade in London hält EU-Chefverhandler Michel Barnier einen harten Bruch nächste Woche noch für vermeidbar. "Ein No-Deal-Szenario ist wahrscheinlicher geworden, aber wir können es noch verhindern", sagte Barnier am Dienstag in Brüssel.

Für den Fall eines ungeordneten Brexit plant die EU keinen eigenen Sondergipfel nach dem für 10. April angesetzten außerordentlichen Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs. In EU-Ratskreisen hieß es am Dienstag, voraussichtlich werde der Sondergipfel am 10. April festschreiben, dass nur dann eine Verlängerung des Brexit möglich sei, wenn die Briten an den EU-Wahlen teilnehmen.

Zollunion bringt knappste Entscheidung

Das britische Unterhaus hatte am Montagabend über vier Optionen des EU-Austritts abgestimmt und alle abgelehnt. Die Entscheidung über einen Verbleib in der Zollunion fiel aber denkbar knapp aus: 273 Abgeordnete stimmten dafür, 276 dagegen.

Ebenfalls knapp ging das Votum über einen "Common Market 2.0" aus – der Vorschlag sieht den Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) vor und fordert den Verbleib im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) inklusive einer umfassenden Zollunion. 21 Stimmen fehlten für eine Mehrheit.

Viele britische Abgeordnete waren nach Bekanntgabe des Ergebnisses völlig frustriert. Nick Boles, der einen der Alternativvorschläge eingebracht hatte, trat unter Tränen umgehend aus der regierenden Konservativen Partei aus. "Ich habe alles gegeben, um einen Kompromiss zu finden, um unser Land aus der EU zu bringen und trotzdem unsere wirtschaftliche Stärke und unseren politischen Zusammenhalt zu bewahren. ... Ich habe versagt."

Conservative Home

Neue Abstimmung am Mittwoch

Am Mittwoch soll erneut abgestimmt werden. Ohne Lösung scheidet Großbritannien am 12. April ungeregelt aus der EU aus. Am Dienstag versammelt Premierministerin Theresa May ihr zerstrittenes Kabinett, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Nachdem Mays Deal im Parlament bereits dreimal abgelehnt worden war, hatten die Abgeordneten vergangene Woche die Kontrolle über den Brexit-Prozess übernommen. Abgestimmt wurde dann nicht mehr über "Mays Deal" oder "nicht Mays Deal", sondern – zuerst – acht und gestern vier alternative Brexit-Szenarien.

Doch auch das Parlament kann, wie es scheint, keinen Ausweg aus der Sackgasse finden. Finanzminister Philip Hammond will einer Twitter-Mitteilung der "Times" zufolge dem Kabinett am Dienstag mitteilen, dass die Konservativen möglicherweise ein Referendum in Betracht ziehen müssen, da sich weder die Partei noch das Land eine Neuwahl leisten könne.

In dem Tweet eines Politikredakteurs hieß es, Hammond werde sagen, dass die Regierung einen eigenen Kompromissvorschlag machen oder zugeben müsse, dass das Parlament gescheitert sei und daher das Volk in einem Referendum abstimmen müsse. Um die Mittagszeit (MEZ) gab eine Sprecherin Mays bekannt, dass sie aber weiterhin gegen ein zweites Referendum sei und an dem Deal festhalten will.

Bildungsstaatssekretär Damian Hind gab unterdessen bekannt, dass Mays Deal immer noch die beste Option für den EU-Austritt sei. Ein ungeordneter Austritt wäre kein "optimaler Ausgang". (red, APA, Reuters, 2.4.2019)