Immun-Checkpoints sind molekulare Schalter, die die Abwehrreaktionen des Körpers hoch- und runterregulieren. Sie können durch passende Moleküle gesteuert werden. Dieses System ist wichtig, um zu verhindern, dass das Immunsystem die eigenen Zellen angreift.

Tumore können sich dieses System zunutze machen, indem sie bestimmte Checkpoints regeln und damit vom Immunsystem unerkannt bleiben. Andererseits wird das Wissen darüber auch in der Tumorbehandlung genützt, wenn Immun-Checkpoint-Inhibitoren eingesetzt werden, die sozusagen die Bremsen des Immunsystems lösen, um die Krebszellen zu attackieren. Diese Art von Medikamenten stellte einen großen Wendepunkt in der Krebstherapie dar, ist aber auch oft mit Nebenwirkungen verbunden.

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Die Gattung Lactobacillus, ein klassischer Vertreter der Milchsäurebakterien, wurde 2018 zur Mikrobe des Jahres gewählt. Zwei Stämme dieser Gattung führten im Versuch zu einer erhöhten Immunreaktion gegen Tumore.
Foto: AP Photo/Rowett Research Institute

Für eine personalisierte Krebsbehandlung wäre es zudem wichtig, abschätzen zu können, bei welchen Patienten diese Substanzen wirken und bei welchen nicht. In dieser Frage der Wirksamkeit scheint bisherigen Forschungen zufolge auch die Darmflora eine Rolle zu spielen. Als Darmflora wird das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen im Verdauungstrakt bezeichnet.

Darmbakterien verlangsamen Tumorwachstum

Ein internationales Team von Forschern hat nun elf Bakterienstämme identifiziert, die das Immunsystem aktivieren und das Wachstum von Melanomen in Mäusen verlangsamen. Zusätzlich erkannten sie, dass das Ansprechen auf eine Immun-Checkpoint-Therapie mit einem bestimmten zellulären Signalweg verbunden ist. Die sogenannte UPR (engl.: unfolded protein response) reguliert die richtige Faltung von Proteinen und kann im Labor gemessen werden. In Patienten, in denen sie reduziert ist, wirkte die Therapie besser.

Zuerst beobachteten die Forscher, dass bei Mäusen, bei denen ein Teil dieses UPR-Mechanismus' gentechnisch ausgeschaltet wurde, das Wachstum von Hautkrebs gehemmt wurde. Voraussetzung war nur, dass Immunsystem und Darmflora intakt waren. Die Immunreaktion auf Tumore fehlte, wenn Antibiotika das wichtige Darmmikrobiom zerstörten – wie auch bei Mäusen mit intaktem UPR-Mechanismus.

Im Darm von Mäusen mit reduzierter UPR konnten die Wissenschafter elf Bakterienstämme nachweisen, die vermehrt vorkamen. Um zu untersuchen, ob diese etwas mit der tumorbekämpfenden Immunreaktion zu tun haben, wurden sie speziell gezüchteten Mäusen eingesetzt. Diese Tiere waren genetisch unverändert, aber in einer absolut keimfreien Umgebung aufgewachsen, wodurch der Effekt ausgesuchter Mikroorganismen beobachtet werden konnte. Auch diese Mäuse zeigten dann die erhoffte Immunreaktion und das verlangsamte Tumorwachstum.

Biomarker für personalisierte Krebsbehandlung

Zur Überprüfung der Anwendbarkeit auf den Menschen analysierten die Forscher Proben von Patienten mit metastasierendem Melanom, die mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt wurden. Tatsächlich korrelierte eine geringe UPR mit einem besseren Ansprechen auf die Therapie. Die Messung von UPR-Komponenten könnte somit als Biomarker dienen, welche Patienten wie behandelt werden sollten.

Im nächsten Schritt sollen die Stoffwechselprodukte der Bakterien bestimmt werden, die das Tumorwachstum verlangsamen. Von diesen könnte getestet werden, wie sie die Immunreaktion auf Tumore erhöhen, aber auch wie sie im Verdauungstrakt von Patienten angereichert werden könnten.

Ze'ev Ronai, verantwortlicher Autor des Papers, sieht noch weitere Anwendungsmöglichkeiten der Forschung zur Balance von Anti-Tumor-Immunität und Autoimmunität: "Mäuse mit reduzierten UPR-Komponenten entwickeln sehr oft Darmentzündungen, eine ebenfalls häufige Nebenwirkung von Immun-Checkpoint-Therapien". Weitere Studien sollen helfen, hier das richtige Mittelmaß zu finden, um die neuartigen Therapien noch breiter einsetzen zu können. (pkm, 7.4.2019)