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Tusk (li.) und May sind sich noch nicht eins.

Foto: Olivier Hoslet/Pool via REUTERS/File Photo

London – Die britische Premierministerin Theresa May hat bei EU-Ratspräsident Donald Tusk um einen weiteren Brexit-Aufschub bis 30. Juni angesucht. Wenn ein Abkommen noch vorher ratifiziert werde, sollte die Frist früher enden, schrieb May in einem Brief, der der APA vorlag, am heutigen Freitag an Tusk.

"Die Regierung will einen Fahrplan für die Ratifizierung vereinbaren, der es dem Vereinigten Königreich gestattet, vor dem 23. Mai 2019 aus der Europäischen Union auszutreten, und damit die Europawahlen (für Großbritannien, Anm.) zu annullieren", erklärte May. London werde aber "verantwortlich Vorbereitungen treffen" für die Abhaltung der EU-Wahl, sollte dies nicht möglich sein. "Es ist frustrierend, dass wir diesen Prozess noch nicht erfolgreich und geordnet abgeschlossen haben", schrieb May. Die Europawahlen finden zwischen 23. und 26. Mai statt.

Die EU-Wahl gilt als hohe Hürde für die Verschiebung. Wäre Großbritannien dann noch EU-Mitglied, müsste es Abgeordnete wählen lassen. Der bisher vorgesehene Brexit-Termin 12. April ist der letzte Tag, an dem London die Wahl im Land einberufen könnte.

"Klare Optionen"

Sollten die Gespräche mit der Opposition nicht zu einer Lösung führen, will May eine weitere Runde von Abstimmungen im Parlament über "klare Optionen" abhalten. An das Ergebnis werde sich die Regierung halten, sofern die Opposition das auch tue.

Tusk plädiert unterdessen nach Angaben von EU-Vertretern für eine flexible Verschiebung des Brexits um bis zu zwölf Monate. Er wolle das den 27 verbleibenden EU-Staaten am Freitag vorschlagen, bestätigten EU-Beamte gegenüber mehreren Medien in Brüssel.

Derzeit ist der EU-Austritt Großbritanniens für den 12. April geplant, also in genau einer Woche. In London hat das Unterhaus aber das EU-Austrittsabkommen bereits drei Mal abgelehnt und auch noch keinem anderen Plan für den Brexit zugestimmt. In London diskutiert die konservative Regierung unterdessen mit der Opposition über die Möglichkeiten, einen ungeordneten Brexit ohne Austrittsabkommen zu vermeiden.

Jacob Rees-Mogg, ein Brexit-Ultra, hat schon einmal angekündigt, im Falle eines langen Aufschubs die EU so gut wie möglich zu lähmen.

Für kommenden Mittwoch ist in Brüssel ein Brexit-Sondergipfel geplant, bei dem die übrigen 27 EU-Staaten einer Verlängerung einstimmig zustimmen müssten. Gibt es bis dahin keine Lösung und auch keine Verlängerung, würde Großbritannien am 12. April ungeregelt aus der EU ausscheiden – mit weitreichenden negativen Folgen für die Wirtschaft und die Bürger.

Gründe für Verlängerung gefordert

Führende EU-Politiker sowie Staats- und Regierungschefs reagierten zurückhaltend auf die Vorschläge Tusks und Mays. Irlands Premierminister Leo Varadkar erklärte am Freitag, dass eine Verlängerung möglicherweise "mehr Sinn ergebe". Der niederländische Regierungschef Mark Rutte bezeichnete Mays Brief allein hingegen als "nicht genug", um eine Fristverlängerung zu erlauben.

Ähnlich hatte sich bereits Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire vor dem Treffen der Eurogruppe am Freitag in Bukarest geäußert. Frankreich habe immer klar gesagt, dass "wir verstehen müssen, wofür die Verlängerung notwendig ist. Wenn wir das nicht verstehen, können wir keine positive Antwort geben. Deswegen fragen wir nach dem Grund, warum die britische Regierung um eine Verlängerung ansucht. Es liegt an der britischen Regierung, eine Antwort zu geben". Frankreichs EU-Staatssekretärin Amélie de Montchalin forderte von London einen "Plan mit klarem und glaubwürdigem politischen Rückhalt".

Auch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz zeigte sich bezüglich einer Verlängerung der Brexit-Frist zurückhaltend. "Ich hoffe, dass das britische Parlament und die Regierung eine Entscheidung treffen, die der EU präsentiert werden kann", sagte er in Bukarest. "Unsere Position ist klar. Keine Brexit-Verschiebung ohne Klärung", schrieb auch der Fraktionschef und Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), auf Twitter.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich zuletzt skeptisch über eine Verschiebung des Austrittsdatums geäußert. "Aus derzeitiger Sicht gibt es überhaupt keinen Grund für eine Fristerstreckung, denn das Chaos in Großbritannien hat sich nicht verändert", hatte Kurz am Mittwoch nach dem Ministerrat in Wien gesagt. "Es gibt keinen klaren Weg, der mehrheitsfähig ist im britischen Unterhaus." An die britischen Abgeordneten appellierte er, an den drohenden massiven Schaden eines "No Deal"-Szenarios für Bevölkerung und Volkswirtschaft zu denken. (red, APA, 5.4.2019)