Dass im Boxsport nicht nur im Ring Schläge ausgeteilt werden, ist Teil des Geschäfts. So sagte Gogi Knezevic einmal, dass Marcos Nader keine Eier in der Hose habe. Nader widersprach, er habe sie nur wenige Stunden zuvor am Klo noch gesehen. Wer die härtesten Fäuste von Wien hat, soll am Samstag erstmals und wohl auch endgültig geklärt werden. Nader vs. Knezevic um einen internationalen Titel bei der Fight Night in Kagran. ORF Sport+ überträgt ab 19 Uhr aus der Erste-Bank-Arena.

Marcos Nader (links) und Gogi Knezevic haben ein Rendezvous.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Es ist ein Kampf, auf den nicht nur die Community schon lange gewartet hat. Angekündigt wurde die "Schlacht um Wien" vor wenigen Tagen auch mit Verbalinjurien vor laufender Kamera. Knezevic schüttete Nader ein Glas Wasser aufs Leiberl. "Für die Attacke muss er mir danken, dadurch haben wir noch mehr Aufmerksamkeit bekommen", sagt Knezevic dem STANDARD.

Gleich, nur anders

Nader und Knezevic haben beide serbische Wurzeln, könnten aber kaum unterschiedlichere Biografien haben. Der eine wurde in eine Boxfamilie hineingeboren, wuchs auf der Sonneninsel Ibiza auf, der andere saß einmal wegen schwerer Körperverletzung im Gefängnis.

Sechs Jahre ist es her, da wurde Marcos Nader nach dem Gewinn des EU-Titels im Mittelgewicht noch bejubelt. Es hieß, er sei der beste österreichische Boxer seit Hans Orsolics, ein Kampf um einen WM-Titel nur eine Frage der Zeit. Allein es kam anders. Verlust des EU-Titels, Niederlagen in der Olympia-Qualifikation für Rio de Janeiro 2016. Es folgten eine langwierige Ellbogenverletzung und ein Motivationstief nach 20 Jahren im Boxsport, den er seit Kindesbeinen betreibt. Im Vorjahr gelang Nader ein Comeback, seine Bilanz kann sich noch immer sehen lassen. Von 22 Profikämpfen gewann er 20. Anfang Februar riss sich Nader die Achillessehne, als er dem wegrollenden Kinderwagen mitsamt Inhalt (einjährige Tochter) nachlief. Die Rehabilitation läuft gut, "mein Fuß behindert mich nicht. Ich habe die bessere Technik, bin flinker als Gogi." Knezevics Konter: "Ich werde ihn in einen Ganz-Körper-Gips stecken."

Marcos Nader: "Ich werde Knezevic in Pension schicken." Gogi Knezevic: "Ich werde ihn in einen Ganzkörpergips stecken."
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Boxen als Lebensretter

Knezevic stammt ebenfalls aus einer Boxfamilie, sein Vater war einmal Amateurstaatsmeister. Durch Kontakte ins Wiener Rotlichtmilieu geriet der Sohn auf die schiefe Bahn, saß als 22-Jähriger für drei Monate ein und musste später die Ermordung seines legendären Boxtrainers Edip Sekowitsch verkraften, der 2008 vor dessen Lokal in Wieden erstochen wurde. "Wäre es so weitergegangen, wäre ich heute tot oder säße lebenslang. Boxen hat mir das Leben gerettet", sagt Knezevic.

Der mittlerweile 39-Jährige war 2016 der erste Österreicher, der einen der begehrtesten Titel im Profiboxen, nämlich einen Europameistertitel des World Boxing Councils (WBC), gewonnen hat. "Marcos und ich teilen uns seit 15 Jahren den österreichischen Boxthron. Diese Abrechnung wollte ich nicht offen lassen."

Knezevic hat 34 seiner 43 Profikämpfe gewonnen, boxte im vergangenen Herbst noch vor 10.000 Zuschauern in Marseille gegen den Olympia-Dritten von Rio, Mohammed Rabii aus Marokko. Seinen letzten Gegner, den Ungarn Zsolt Friesz, schickte er bei einer Boxgala in St. Pauli im Februar in der zweiten Runde auf die Bretter. "Nur der erste Streich", der zweite soll gegen Nader folgen. "Ich fühle mich fitter denn je, hab einen Ruhepuls von 39 nach drei Kaffee in der Früh."

Im November hatte DER STANDARD Marcos Nader für ein Video-Interview getroffen.
DER STANDARD

Olympiatraum für Bounce

Um Marcos Nader ist es in den vergangenen Jahren ruhig geworden. Er brachte sich stärker im familieneigenen Boxklub Bounce in Ottakring ein, den sein Bruder Daniel vor 24 Jahren gegründet hat. Mittlerweile ist Bounce der größte Boxklub Österreichs mit tausend Mitgliedern, darunter die hoffnungsvollsten Boxer des Landes. "Unser Ziel ist eine Olympiateilnahme eines unserer Talente", sagt Daniel Nader.

Bounce schickt eine Handvoll Kandidaten ins Rennen, für ganz Europa gibt es acht Quotenplätze in zehn Gewichtsklassen. Für Marcos ist das Thema Olympia abgehakt. "Profiboxen und Amateurboxen, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, da boxt du zwölf, dort nur drei Runden, es ist eine andere Dynamik. Die Olympiaquali ist brutal." Der letzte Österreicher, der bei Olympischen Spielen in den Ring stieg, war Biko Botuwamungo 1988 in Seoul. "In Österreich oder Deutschland zählt selbst ein Europameistertitel wenig. In anderen Ländern bist du als Boxer schon mit einem kleinen Gürtel ein Nationalheld. Es fehlt einfach die öffentliche Anerkennung. Die Dichte an starken Boxern ist international so hoch wie noch nie."

Ausverkauftes Haus

Der Kampf am Samstag in der kleinen Eishalle in Kagran ist mit 2.000 Zuschauern ausverkauft, an Zuspruch mangelt es also nicht. Das Budget für die Fight Night beträgt 160.000 Euro. "Ich habe zuletzt im Admiral Dome vor 1.500 Leuten gekämpft, zu Beginn meiner Karriere waren da vielleicht 200 oder 300 Leute. Boxen hat in Österreich an Popularität gewonnen", sagt Knezevic.

Einen Knebelvertrag bei einem großen Boxstall hat er nie unterschrieben, "Angebote gab es, aber ich bin lieber der Erste auf dem Land als der Letzte in der Stadt". Nach dem Kampf gegen Nader will er die Boxhandschuhe an den Nagel hängen und ins Immobiliengeschäft einsteigen. "44 Profikämpfe sind genug. Ich will dann nur mehr meinen Aktenkoffer in die Hand nehmen, arbeiten und mich um meine Familie kümmern."

Nader kündigte eine Hilfestellung an: "Ich werde Knezevic in Pension schicken." (Florian Vetter, 10.4.2019)