Sebastian Kurz (ÖVP, l.) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) sind sich wieder einig: Die Freiheitlichen grenzen sich ausreichend von den Identitären ab.

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SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht das anders.

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Wien – Setzt man den Koalitionskonflikt in Relation zur sonst üblichen Harmonie zwischen Türkis und Blau, muss man sagen: Es hat richtig gekracht zwischen den beiden Regierungsparteien.

So plötzlich, wie der Streit um die Distanzierung von den rechtsextremen Identitären ausgebrochen ist, war er dann auch wieder vorbei: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ließ verlauten, dass er die Abgrenzung seines Vizes Heinz-Christian Strache (FPÖ) von der rechtsextremen Gruppierung anerkenne: "Das war ein wichtiger und notwendiger Schritt."

Weiter Wirbel um Identitäre.
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Strache hatte beim Parteitag der oberösterreichischen FPÖ am Samstag noch einmal auf den bestehenden Beschluss des Parteivorstands verwiesen, der "eine strikte Trennung mit sich bringt". Man wolle "mit der Identitären Bewegung nichts zu tun haben", und es werde "auch in Zukunft" keine Überschneidungen geben.

Auch wenn sich inhaltlich in der vergangenen Woche nichts getan hat, genügt dem Bundeskanzler die rhetorische Distanz Straches also – von der Opposition kann das erwartungsgemäß nicht behauptet werden. "Abgesehen davon, dass die Bundesregierung leere Floskeln miteinander ausgetauscht hat, ist nichts passiert", sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zum STANDARD. "Wie soll denn eine Abgrenzung überhaupt glaubwürdig sein, wenn es immer noch personelle Verstrickungen in politischen Büros und Ministerien gibt?", fragt die Oppositionsführerin.

Anfragen von Rot und Pink

Mittels Anfragen an alle FPÖ-Minister will sie herausfinden, wer von ihnen schon an Veranstaltungen der Identitären teilgenommen hat und ob Ministeriumsmitarbeiter bei der Gruppe aktiv sind. Von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wollen die Sozialdemokraten zusätzlich Informationen über die Hausdurchsuchung beim Chef der Identitären, nachdem eine Spende des Christchurch-Attentäters an ihn bekannt geworden war. Außerdem fragen sie Kickl nach weiteren Verbindungen der Identitären zum Attentäter, Mitglieder- und Aktivistenzahl der Organisation und Kontakte zu FPÖ-Vorfeldorganisationen oder rechtsextremen Gruppen. Die Neos haben eine ähnliche Anfrageserie angekündigt.

Ihre Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper bezeichnet Kurz' "empörte Strenge" als "unfassbare Scheinheiligkeit". Er wäre der einzige Politiker in Österreich, "den überraschen würde, dass sein Koalitionspartner FPÖ enge Kontakte zu Rechtsextremen hat", sagt die Abgeordnete. Sie fordert umfassende Aufklärung über die Verknüpfungen zwischen Identitären, FPÖ-Abgeordneten und Ministerien.

Interne Strategiepapiere

Ungelegen kommen den nun wieder versöhnten Koalitionsparteien Berichte von Kleine Zeitung und Kurier, die aus bisher unveröffentlichten Akten eines Gerichtsprozesses im Jahr 2016 zitieren. Dabei handelt es sich unter anderem um interne Strategiepapiere der Organisation, in denen die Identitären die FPÖ als ihre "Lobby" bezeichnen.

FPÖ-nahe Medien wie unzensuriert.at oder auch FPÖ TV sollen demnach mit Wordings "gefüttert" werden. Die FPÖ müsse "über Vorabtreffen informiert werden und im Zuge der Kampagne helfen, politischen Druck auf das Zielsystem (Ministerien, Politiker) aufzubauen" (damals war die FPÖ noch in Opposition, Anm.). Als Teil des "revolutionären Prozesses" planten sie auch die Besetzung von Redaktionen – tatsächlich kletterten Identitäre 2017 auf das Dach des ORF-Landesstudios Steiermark und entzündeten bengalische Feuer.

Für die Liste Jetzt macht das die FPÖ zum "legalen Arm der Identitären", Kurz dürfe Straches "Worthülsen" nicht einfach akzeptieren, sagt Sicherheitssprecherin Alma Zadic. (Sebastian Fellner, 7.4.2019)