In der BVT-Affäre flogen noch die Fetzen, nun suchen die obersten Beamten von Justiz- und Innenministerium, Christian Pilnacek und Peter Goldgruber, gemeinsam nach Neonazis.

Foto: christian fischer

Es war eine äußerst eilig einberufene Pressekonferenz, in der am Dienstag ein Schlag gegen die Neonaziszene verkündet wurde: In den Morgenstunden hätten an 32 Orten in ganz Österreich Hausdurchsuchungen in der Neonaziszene stattgefunden, berichteten die Generalsekretäre von Justiz- und Innenministerium, Christian Pilnacek und Peter Goldgruber. Bei rund 90 Beschuldigten habe man NS-Devotionalien, Kriegsmaterial und sonstige verbotene Waffen sichergestellt. Um 15 Uhr, als die Pressekonferenz begann, bei der bereits Fotos von sichergestellten Gegenständen und NS-verherrlichenden Tätowierungen vorgezeigt wurden, waren die Razzien noch im Gange.

Christian Pilnacek, Generalsekretär und Sektionschef der Sektion IV im Justizministerium, bekräftigt in der "ZIB 2" nochmals, dass die bundesweite Razzia in der rechten Szene nichts mit der Debatte um die identitäre Bewegung zu tun habe. Als oberflächlicher Betrachter könne man diesen Eindruck bekommen. Wenn man aber wirklich involviert sei, könne man das nicht mit politischen Zufälligkeiten verquicken, so Pilnacek.
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Grund der Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz war ein Konzert eines in der Neonaziszene einschlägig bekannten Sängers in einer obersteirischen Gemeinde im Frühjahr 2018. Der Verfassungsschutz habe das Konzert besucht und sich davon überzeugt, dass das, was dort vor sich ging, als nationalsozialistische Wiederbetätigung zu werten sei, sagt Pilnacek, der Generalsekretär des Justizministeriums. In "zeitlicher Nähe zu dem Konzert" habe man dann auch "Identitäten festgestellt", eine Hausdurchsuchung durchgeführt und einen Verdächtigen einvernommen.

Pressekonferenz zu Hausdurchsuchungen im Neonazi-Milieu.

Warum aber musste ein Jahr vergehen, bis die Ermittler die Hausdurchsuchung anordneten? Der Grund liege keinesfalls in einem Versagen des Verfassungsschutzes, betont Pilnacek, sondern in einem "Dauerkrankenstand" bei der Staatsanwaltschaft Leoben. Die Ermittlungen seien jedenfalls ein "Beweis, dass die Beamten von Justiz und Polizei exzellent zusammengearbeitet haben", sagt Pilnacek. Dass die Razzien und die kurzfristig anberaumte Pressekonferenz just mitten in die Zeit der öffentlichen Debatte über die rechtsextremen Verwicklungen der FPÖ und die Identitären-Causa fallen, sei ein Zufall und keinesfalls ein Ablenkungsmanöver, sagt Pilnacek auf entsprechende Fragen der Medienvertreter.

Frage des Zeitpunkts

Warum die Hausdurchsuchungen ausgerechnet jetzt stattfinden mussten, konnte Pilnacek aber nicht erklären. An einem dringenden Tatverdacht scheint es nicht zu liegen. Festgenommen wurde nämlich kein einziger der 90 Verdächtigen.

Die Ermittlungen laufen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung und Verstößen gegen das Waffenverbot, einen Verdacht auf eine kriminelle oder gar terroristische Organisation hege man derzeit nicht, heißt es. Bei den Verdächtigen habe man nicht nur Hieb- und Stichwaffen, sondern auch Kriegsmaterial gefunden, sagt Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber, der weitere Waffenfunde nicht ausschließt. Einige der Verdächtigen hätten ihre Waffen trotz eines aufrechten Waffenverbots besessen.

Der Veranstalter des Rechtsrock-Konzerts, das "irgendwo zwischen Bruck an der Mur und Mürzzuschlag" stattgefunden habe, sei jedenfalls bereits nach dem Verbotsgesetz verurteilt worden – was erst der Grund dafür war, warum die Verfassungsschützer auf das Konzert aufmerksam geworden waren.

Die Razzien hätten ausschließlich in Privatwohnungen stattgefunden, sagt Goldgruber. Das Konzertlokal selbst hätten die Polizisten aber nicht durchsucht, erläutert Pilnacek auf Nachfrage: Es gebe "keine Hinweise" darauf, dass in der Örtlichkeit auch abseits des Konzerts Neonazis aktiv waren. Die Besucher des rechtsradikalen Events scheinen jedoch teilweise von weit her angereist zu sein: Die Razzien fanden in allen Bundesländern außer Tirol statt, zwei der durchsuchten Wohnungen befänden sich in Wien, zudem ermittle man auch gegen Verdächtige, die zwar österreichische Staatsbürger, aber im Ausland wohnhaft seien, sagt Goldgruber.

Die Liste Jetzt bezeichnete die Razzien als "längst überfälligen ersten Schritt". Dass Justizminister Josef Moser (ÖVP) das Heft des Handelns in die Hand genommen habe, sei "gut und wichtig", meinte Jetzt-Sicherheitssprecherin Alma Zadic. Denn die im vergangenen Jahr beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchgeführten Haudurchsuchungen dürften das Vorgehen gegen die rechtsextreme Szene "erheblich" verzögert haben, fürchtete Zadic: "Das ist die alleinige politische Verantwortung von FPÖ-Innenminister Kickl."

Identitäre: Kontakte in USA

Auf die Frage, ob die Justiz auch zu den Ermittlungen gegen die Identitäre Bewegung (IB) Auskunft geben könne, sagte Pilnacek, dass es hier "derzeit kaum Neues zu berichten" gebe. Die Staatsanwaltschaft pflege jedenfalls "vielfältige Kontakte mit ausländischen Behörden", insbesondere mit Neuseeland. Auch ein Amtshilfeersuchen mit den USA sei anhängig, es gehe hier um einschlägige Facebook-Kontakte der Verdächtigen. Am 26. März hatten die Strafverfolgungsbehörden eine Razzia bei Identitären-Chef Martin Sellner durchgeführt. Grund war eine Spende des Neuseeland-Attentäters. (Maria Sterkl, 10.4.2019)