Mehr Mut in der Diskussion und in der Umsetzung fordert Wifo-Chef Christoph Badelt von Regierung und Opposition – nicht nur bei der Steuerreform.

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Wien – Anders als seine Vorgänger will Wifo-Chef Christoph Badelt der Regierung keine alternativen Steuerreformvorschläge ins Stammbuch schreiben. Er sieht die angekündigten Maßnahmen grundsätzlich positiv, fordert aber ernsthafte Diskussionen ohne Tabus – insbesondere beim Klimaschutz. "Ich glaube, dass die Österreicher unter dem Klimawandel mehr gelitten haben als unter der Migration."

Es gibt zwei große Bereiche, da sind sich alle Fachleute einig, bei denen anzusetzen ist: Verkehr und Gebäude, da brauche es dringend eine sozial verträgliche Gegensteuerung beim CO2-Ausstoß, weil die Emissionen stetig steigen statt sinken. Wenig Aufwand, große Wirkung und de facto keine Nachteile gebe es beispielsweise bei Tempolimits. "Herumexperimentieren mit höheren Tempolimits ist kontraproduktiv", stellte der Wifo-Chef klar.

Größe für Kleine

Ohne Alternative ist für Badelt auch, dass kleine Einkommen stärker entlastet werden. "Das ist eine Notwendigkeit", sagte Badelt am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Denn Besserverdiener profitierten von einer Absenkung unterer Progressionsstufen automatisch – wie auch von der Steuerbegünstigung für Urlaubs- und Weihnachtsgeld (" Sechstelbegünstigung").

Grundsätzlich müsse die Steuer- und Abgabenquote "runter, runter, runter", mahnte der Wifo-Chef mit Verweis auf die OECD-Steuerstudie "Taxing-Wages" (siehe Bericht Seite 17), wonach ein Arbeitnehmer im Schnitt 47,6 Prozent Steuern und Abgaben abführt.

Wiewohl der Wifo-Chef Interessengruppen nicht gegeneinander ausspielen will: Bei der Steuerreform, deren Sack die Regierung noch im April zumachen will, hält er nicht hinterm Berg, dass er die Senkung der Lohnnebenkosten aus beschäftigungspolitischen Gründen für wichtiger hält als die von der Industrie gewünschte Körperschaftsteuersenkung.

Zwischen den Stühlen

Im direkten Standortwettbewerb hingegen sei natürlich eine KöSt-Senkung wichtiger als die Lohnnebenkostensenkung. "Sie ist aber nicht nachhaltig", weil ja andere Länder nachziehen. Und: Aus verteilungspolitischen Gründen müssten auch Nichtkapitalgesellschaften von einer Senkung der Gewinn- und Unternehmenssteuern profitieren. Einzelunternehmer, die keine Aktiengesellschaft oder GesmbH unterhalten, sollten nicht zwischen den Stühlen landen. Dort sind Einpersonengesellschaften de facto aber längst, sie zahlen mangels Sechstelbegünstigung für Urlaubs- und Weihnachtsgeld höhere Einkommenssteuern als unselbstständig Erwerbstätige.

Bei unteren Einkommen gebe es zwei Stoßrichtungen: Senkung der Sozialversicherungsabgaben (nicht nur in der Krankenversicherung) oder des Eingangssteuersatzes, der mit 25 Prozent ab 11.000 Euro Jahresbrutto zu hoch sei. Hier könnte man auf zehn Prozent gehen. Eine Gefahr für die Selbstverwaltung der Sozialversicherung sieht er nicht, die werde ja bereits jetzt aus dem Budget alimentiert. Den Eingangssteuersatz könne man auf zehn Prozent einschleifen.

Grundlegende Reform

"Alle wissen, es braucht eine grundlegende Reform des österreichischen Abgabensystems", sagte der Wifo-Chef. "Es geht um die Entlastung des Faktors Arbeit, eine Ökologisierung und eine Vereinfachung, die auch mehr Transparenz ins Abgabensystem bringt." Die Grundrichtung der kommenden Steuerreform stimme zwar, was bisher angekündigt wurde, dürfte auch aus den Budgetüberschüssen finanzierbar sein: "Aber es reicht halt nicht."

Badelt verlangt hier mehr Mut von der Politik und dass sie Zukunftsthemen in den Mittelpunkt rückt: "Man muss weiter denken und langfristig lenken. Viele Themenbereiche müssen dafür enttabuisiert werden." Ausnahmen bei der Einkommensteuer, die Pendlerpauschale, das Dieselprivileg sowie das "anachronistische" 13. und 14. Monatsgehalt, von dem Höherverdienende stärker profitierten als Bezieher niedrigerer Einkommen – alles Themen, die unter anderen Gesichtspunkten angegangen, diskutiert werden sollten, rät Badelt. Er plädierte für eine Steuerreform in mehreren Schritten, denn gerade Dinge wie das Dieselprivileg könne man nur schrittweise angehen.

Klima wird teuer

Im Klimabereich plane die Regierung im Rahmen der Steuerreform nur kleine Dinge. "Bei den bisher vorgeschlagenen Maßnahmen glaubt keiner, dass damit die CO2-Ziele erreicht werden", kritisiert der Wifo-Chef. Allerdings werde das Verfehlen der CO2-Ziele 2030 sehr, sehr teuer. Daher sei es vernünftiger, jetzt Geld in die Hand zu nehmen, um diese zu erreichen, anstatt später Strafe zu zahlen. Es brauche schrittweise Maßnahmen vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs in ländlichen Regionen und den Abbau klimaschädlicher Subventionen. "Hier geht nichts von heute auf morgen – aber das wissen wir seit 30 Jahren." Trotzdem bewege sich wenig. (ung, 11.4.2019)