Seit April 2014 wird im Donbass gekämpft. Tausende Soldaten sind inzwischen als Kriegsveteranen von der Front zurückgekehrt.

Foto: AFP / Sergei Supinsky

Es war eine Wurfmine, die Pawlo Mamontow traf. Damals, im Februar 2015, als er gerade als Freiwilliger in den Krieg gezogen war und seine Einheit im ostukrainischen Dorf Schyrokyne in erbitterte Gefechte geriet. Wenn er den Ärmel seiner khakifarbenen Jacke zurückstreift, sieht man die tiefen Narben, die seinen Unterarm durchziehen. Neunmal musste er operiert werden. Aber Mamontow lacht sein Bubenlachen: "Damals dachte ich mir nur: gut, dass ich überhaupt noch am Leben bin!"

Der Krieg in der Ostukraine hat bei vielen ukrainischen Soldaten Spuren hinterlassen – innerlich und äußerlich. Auch bei vielen der zumeist jungen Männer, die an diesem Dienstagabend im März 2019 in das Büro von "Veteran Hub", zwei Metrostationen vom Kiewer Stadtzentrum entfernt, gekommen sind. Eine luftige, moderne Lounge im 21. Stock eines Hochhauses, die mit ihren bunten Sitzkissen und den modernen Möbeln eher an ein Start-up erinnert als an ein Rehabilitationszentrum für Kriegsrückkehrer.

Mangelnde Ressourcen

Iwona Kostyna, eine 22-jährige Aktivistin, hat das Zentrum mitgegründet und führt durch die Räume. Es gibt ein Callcenter, Rechtshilfe, Vorträge und Gruppentherapien. "Veteran Hub" ist eine private Initiative, die helfen soll, den Veteranen den Weg zurück ins zivile Leben zu erleichtern. "Unser Staat hat leider nicht genug Ressourcen, um das richtige Angebot für die Veteranen zu schaffen", sagt sie. "Aber die Soldaten kehren nun einmal gerade jetzt zurück, und wir befinden uns in einem ständigen Krieg."

Dieser Krieg, die Kämpfe in der Ostukraine, begannen vor fünf Jahren. Am 12. April 2014 wurden in der ostukrainischen Provinzstadt Slowjansk das Hauptquartier der Polizei und der Sitz des Geheimdienstes von prorussischen Bewaffneten besetzt, in der Folge kam es zu den ersten auseinandersetzungen. Am 15. April begann der Einsatz der ukrainischen Armee, de "Anti-Terror-Operation" (ATO). Die schlimmsten Kämpfe tobten 2014 und 2015, als der Frontverlauf immer wieder wechselte.

Tausende Tote

Doch bis heute gibt es tägliche Schusswechsel entlang der 500 Kilometer langen Frontlinie, zwischen der ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten, die maßgeblich aus Moskau unterstützt werden. Laut UN-Angaben hat der Krieg bisher 13.000 Todesopfer gefordert. Die ukrainischen Behörden haben zuletzt knapp 355.000 Personen offiziell als "Teilnehmer der Kampfhandlungen" in der Ostukraine eingestuft. Doch offizielle Zahlen zu den Veteranen gibt es nicht.

Seit Kriegsausbruch waren es vor allem zivilgesellschaftliche Initiativen, die die Veteranen unterstützten. Die Mühlen der ukrainischen Bürokratie mahlten nur sehr langsam. Nun aber soll sich etwas bewegen.

Neues Ministerium

Iryna Fritz sitzt im wuchtigen Gebäude des ukrainischen Ministerkabinetts. Erst im November wurde das "Ministerium für Veteranen" gegründet, dem sie vorsteht. Wo früher 22 Behörden für Veteranen zuständig waren – von der Arbeitssuche über psychologische Betreuung bis zu finanzieller Unterstützung -, soll nun ein Ministerium die Aufgaben bündeln.

Warum dauerte das so lange? Der Krieg habe das Land völlig unvorbereitet getroffen: "Wer dachte schon, dass wir einen Krieg gegen Russland führen müssen", fragt Iryna Fritz. "Auch andere Staaten haben Zeit gebraucht, um sich auf die neue Situation einzustellen und die richtigen Antworten zu finden." Als Erstes will sie ein einheitliches Register schaffen, um alle Veteranen zu erfassen.

Zurück in den Krieg

Derweil geht der Krieg weiter – auch in den Köpfen vieler, die schon lange wieder zuhause sind. Es wird geschätzt, dass ein Drittel der Kriegsrückkehrer an psychischen Problemen wie posttraumatischen Belastungsstörungen leidet. "Viele gehen wieder zurück in den Krieg, weil sie sich einfach nicht mehr in das zivile Leben einordnen können", sagt Tetjana Soschko, die ein staatliches Rehabilitationszentrum bei Kiew leitet, das neben Veteranen aber auch noch Alkohol- und Drogenkranke betreut und in den 1990er Jahren gegründet wurde, um Tschernobyl-Flüchtlinge zu unterstützen.

Serhij Michaltschenko ist der Weg zurück gelungen. Der 43-jährige Mann mit der ledrigen Haut und dem Kurzhaarschnitt hat 2015 rund um Debalzewe gekämpft, in einer der brutalsten Schlachten dieses Krieges. Er kehrte danach wieder in sein Heimatdorf bei Kiew zurück, zu seiner Familie und seinem damals erst einjährigen Sohn.

Über die sozialen Medien ist er aber immer noch ständig mit seinen Kameraden verbunden. "Heute sind wieder zwei unserer Jungs gestorben", sagt er trocken. "Wenn sich die Lage an der Front zuspitzt, dann werde ich wieder meine Sachen packen – und dorthin zurückkehren." (Simone Brunner aus Kiew, 15.4.2019)