Das Steuerreformpaket soll "in großen Zügen" stehen, präsentieren wollen es Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Hartwig Löger wohl erst nach Ostern.

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Rainer Zitelmann findet es gut, dass die Regierung beginnt, die Bürger zu entlasten. Im Gastkommentar zieht der Historiker, Soziologe und Buchautor Vergleiche zwischen Österreich und Deutschland und warnt, die kalte Progression könnte die geplante Entlastung bald wieder aufzehren.

Die Steuerquote in Österreich soll bis zum Jahr 2022 von derzeit 42,7 Prozent auf 40 Prozent sinken. Das klingt gut und ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber: Es wäre eine viel stärkere Entlastung der Bürger möglich. Die Einnahmen des Staates durch Steuern und Abgaben sind seit 2009 von 121 Milliarden auf 163 Milliarden Euro gestiegen, also um 36 Prozent! Laut der Prognose der EU-Kommission würden sie (ohne die geplante Steuerreform) bis zum nächsten Jahr auf 174 Milliarden Euro steigen, was ein Plus von 44 Prozent gegenüber 2009 bedeuten würde.

Gleichzeitig sinken – wie auch für andere Staaten – die Zinsausgaben des Staates wegen der Nullzinspolitik. 2009 musste der österreichische Staat noch 9,1 Milliarden Euro an Zinsen zahlen, im vergangenen Jahr waren es nur noch sechs Milliarden Euro. Die Einnahmen sind um mehr als ein Drittel gestiegen und die Zinsausgaben um ein Drittel gesunken! Da wäre deutlich mehr Raum zur Entlastung als die geplanten 4,5 Milliarden Euro.

Reiche noch stärker belasten?

Angesichts dieser Zahlen ist es absurd, dass die Grünen in Österreich jene zehn Prozent der Bürger, die am meisten verdienen, sogar noch stärker zur Kasse bieten wollen. Dafür sollen 90 Prozent der Einkommen entlastet werden. Also noch mehr Umverteilung. Julia Herr, die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, fordert sogar eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 70 Prozent.

Das ist die typische Neiddebatte, die wir auch aus Deutschland kennen. Und dies, obwohl Reiche in Österreich viel stärker belastet werden. Der Spitzensteuersatz, der allerdings erst ab einer Million Euro gilt, beträgt in Österreich 55 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland zahlt ab einem Einkommen von 265.000 Euro jeder die Reichensteuer, die 45 Prozent plus Soli beträgt, also knapp unter 48 Prozent. Für Einkommensmillionäre in Österreich ist also die Steuerlast sieben Prozentpunkte höher. In Österreich zahlt der Bürger ab 90.000 Euro zu versteuerndem Einkommen 50 Prozent Steuern. Da bislang das 13. und 14. Monatsgehalt begünstigt ist, liegt der tatsächliche Steuersatz zwar etwas tiefer, doch diese Begünstigung gilt ab einem Einkommen von 186.000 Euro nicht. Wer 186.000 Euro verdient, zahlt in Deutschland 42 Prozent plus Soli in der Spitze, in Österreich dagegen 50 Prozent.

Ein unsoziales System?

Die Neiddebatte hat in Österreich 2014 dazu geführt, dass auf Betreiben der SPÖ Managergehälter nur bis zu 500.000 Euro von Unternehmen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können. Natürlich führt dies nicht dazu, dass Unternehmen geringere Managergehälter bezahlen, sondern nur dazu, dass der Staat die Unternehmen stärker schröpft. So wie in Deutschland meinen auch in Österreich Grüne und Sozialdemokraten, alles gehe so unsozial zu. Tatsache ist jedoch:

· Im Bundeshaushalt 2019 werden 40 Milliarden von 79 Milliarden Euro für Soziales (Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie) ausgegeben, also mehr als 50 Prozent. Unsozial?

· Insgesamt hat Österreich die höchsten Sozialausgaben pro Kopf in der EU (kaufkraftbereinigt): über 10.700 Euro pro Person. Unsozial?

· Das oberste eine Prozent der Einkommensbezieher zahlt heute schon 17,6 Prozent der Einkommensteuer. Unsozial?

· Zudem gibt es eine gigantische Umverteilung – wie in keinem anderen europäischen Land. Ein Drittel der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen in Österreich zahlt gar keine Einkommensteuer. Sie bekommen den Großteil der Sozialtransfers.

· Das Prinzip der Arbeitslosenversicherung in Österreich ist ad absurdum geführt, weil diejenigen, die Leistungen beziehen, meist gar nichts eingezahlt haben. Das untere Einkommensdrittel zahlt gerade mal zwölf Prozent der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, bekommt aber 90 Prozent der Leistungen. Das Wort "Versicherung" dafür ist absurd. Zahlen tun die anderen. Das nennt sich "soziale Gerechtigkeit".

Kalte Progression

Ich finde: Gut, dass die Regierung in Österreich überhaupt beginnt, die Bürger zu entlasten. Aber durch die kalte Progression wird die Entlastung in den kommenden Jahren wieder aufgezehrt. Angesichts sprudelnder Steuereinnahmen und um ein Drittel gesunkener Zinsausgaben könnte man den Bürgern deutlich mehr zurückgeben. (Rainer Zitelmann, 16.4.2019)