Wo sind eigentlich die Konservativen geblieben? Bei der ÖVP nicht, dort ist man türkis, flott und modern. Sebastian Kurz würde sich wohl kaum als Konservativen bezeichnen. Bei der FPÖ sind Konservative schon gar nicht zu finden. Die Freiheitlichen treten, im Gegenteil, dafür ein, dass alles anders wird. Und die Oppositionsparteien sind naturgemäß die Heimat der Progressiven.

Braucht man überhaupt Konservative? Sollten wir nicht froh sein, dass die, die am Althergebrachten hängen, nun nichts mehr zu sagen haben? Konservative waren von jeher, wie schon der Name sagt, Bewahrer. Progressive waren und sind Erneuerer. Diese schauen in die Zukunft, jene in die Vergangenheit. Sie wollen auf das nicht verzichten, was in ihren Augen bewahrenswert ist.

Konservativ ist nicht dasselbe wie rechts. Rechte definieren sich vor allem dadurch, dass sie alles hassen, was in ihren Augen links ist. Konservative würden niemals eine linke Partei wählen, aber sie haben auch nichts dagegen, dass solche Parteien oder Interessenvertretungen existieren. Es gibt in Gottes Schöpfung schließlich nicht nur edle Hirsche, sondern auch unedle Frösche. Sie mögen vieles nicht, was die Erneuerer teilweise gutheißen: die Homoehe, das Binnen-I, Atheismus, schlechte Manieren, Nazis, ungezogene Kinder, moderne Kunst. Was sie mögen: intakte Familien, die Philharmoniker, Patriotismus, traditionelle Küche, perfekt geputzte Schuhe. Über viele zeitgenössische Erscheinungen sagen sie: Das macht man nicht. Warum nicht? Die einfache Antwort: weil man es nicht macht.

Wettstreit zwischen Konservativen und Rebellen

Es gab in der jüngeren Geschichte viele große Konservative. Charles de Gaulle. Winston Churchill. Konrad Adenauer. Auch in Österreich haben konservative Politiker wie Julius Raab oder Leopold Figl ihren festen und ehrenvollen Platz in der kollektiven Erinnerung. Im Wettstreit zwischen Konservativen und Rebellen, Bewahrern und Erneuerern, kam nicht immer, aber oft ein für alle tragbarer Kompromiss zustande.

Und heute? Klassische Konservative kann man in der Politik mit der Lupe suchen. "Schwarze" alter Schule sind out und melden sich, wenn überhaupt, nur gelegentlich und am Rande zu Wort. Der gängige Typ ist entweder marktorientiert, geschmeidig, modisch und nichtssagend oder ungeniert rechtsextrem. "Patriotisch" heißt so viel wie "Ausländer raus". "Heimatliebe" heißt: Wir sind gut, und alle andern sind schlecht. "Leistungsbewusstsein" heißt: Wer nicht spurt, so, wie wir uns das vorstellen, soll sehen, wo er bleibt.

Der nachgerade absurde Streit um die Identitären, mit denen auf einmal niemand je etwas zu tun gehabt haben will, beleuchtet die Situation gut. Diese Gruppe ist ein wenig intelligenter, moderner und gebildeter als die Durchschnittsburschenschafter, die derzeit die Ministerien und Institutionen erobern, aber des gleichen Geistes Kind. Kickl ja, Sellner nein – das ist ungefähr so logisch und ehrlich wie Schnaps ohne Alkohol. Manchmal wünscht man sich, dass im Regierungslager öfter ein übriggebliebener alter Konservativer (wie zuletzt Reinhold Mitterlehner) auftaucht und sagt: Freunde, das macht man nicht. Und warum? Weil man es nicht macht. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 17.4.2019)