Da Österreich für die Zulassung manipulierter ausländischer Dieselfahrzeuge in der EU nicht verantwortlich ist, dürfen aus der heimischen Treibhausgasbilanz pro Jahr unter anderem bis zu 33.950 Tonnen an hochgiftigen Stickstoffoxid-Emissionen herausgerechnet werden.

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In die Luftreinhaltepläne, die von den EU-Mitgliedstaaten an die Europäische Kommission alljährlich zu melden sind, findet der Dieselabgasskandal keinen Eingang. Im Gegenteil, die nationalen Umweltministerien dürfen die aufgrund der Abgasmanipulationen höheren Stickoxid-Emissionswerte (NOx) aus ihrer Luftschadstoffinventur herausrechnen, weil diese nicht im Verantwortungsbereich Österreichs liegen. Mit Brief und Siegel der EU gelten in der Klimabilanz nur die bereinigten, also niedrigeren Werte.

Für das Dieselland Österreich bringt dies eine erhebliche Verbesserung. Zumindest auf dem Papier sind es seit 2010 pro Jahr zwischen 26.000 und 34.000 Tonnen NOx weniger, die in der bereinigten Luftschadstoffinventur aufscheinen. Das erschließt sich aus dem "Inventory Adjustment Report" des Bundesumweltamts, der auf der überarbeiteten Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie) fußt.

Mit Genehmigung der EU

Auf Anfrage der Liste Jetzt gibt Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) dies auch unumwunden zu, wenn auch verklausuliert. Auf die Frage, ob bei der Berechnung der NOx-Werte der Abgasskandal als Rechtfertigung für erhöhte Werte angeführt und eine Bereinigung der Werte auch für die Jahre 2017 und 2018 fordern wird, teilt die Nachhaltigkeitsministerin mit: "Die Richtlinie (EU 2016/2284) über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe sieht (...) die Möglichkeit vor, für die Beurteilung der Zielerreichung in der Inventur jene Berechnungsmethoden heranzuziehen, die auch der Zielfestlegung zugrunde liegen." Im Hinblick auf die Einhaltung der – als Absolutmengen festgelegten – bis 2019 geltenden Emissionshöchstmengen gemäß Richtlinie 2001/81/EG (...) werde Österreich diese Möglichkeit weiter in Anspruch nehmen.

In Luft aufgelöst

Damit lösen sich Teile der im Transportsektor anfallenden Dieselauto-Emissionen hochgiftiger Stickoxide quasi in Luft auf. Denn wie man seit Ausbruch des Dieselskandals (nicht nur bei Volkswagen, auch bei Fiat und Daimler) und Einführung des neuen Prüfzyklus WLTP weiß, sind die tatsächlich erreichten Reduktionen der fahrzeugspezifischen NOx-Emissionen "viel kleiner, als bei Festlegung der Reduktionsziele erwartet worden war", wie es in der bereinigten Luftschadstoffinventur mit Verweis auf die Abgasklassen Euro-1 bis Euro-6 von Pkws und Kleinlastwagen sowie Euro-I bis Euro-V des Schwerverkehrs heißt.

Der Unterschied ist dramatisch: Denn die tatsächlichen Emissionen des Inlandstraßengüterverkehrs waren laut dem Report von 2010 bis 2016 um mehr als 50 Prozent höher, als auf Basis der ursprünglichen Emissionsfaktoren berechnet. NOx-Emissionsmessungen bei neuen Diesel-Pkws in den USA und Europa führten zu der Notwendigkeit der Anpassung der Werte, heißt es im Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs, auf dem die Computersimulationen basieren.

Auf dem Papier sauberer

"Es ist der Umweltministerin offensichtlich egal, wie dreckig die echte Luft in Österreich ist. Sie kümmert sich nur darum, dass die Luft auf dem Papier saubergerechnet wird", echauffiert sich Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein VSV, ehemals Mandatar der Liste Pilz. Jetzt-Mandatar Bruno Rossmann pflichtet ihm bei: "Statt das Problem anzupacken, versucht es die Bundesregierung mit Zahlentrickserei, das ist Betrug an der Bevölkerung, die den Stickoxiden ausgesetzt ist." (Luise Ungerboeck, 24.4.2019)