Blick aus einem Zellenfenster in der Justizanstalt Graz-Karlau: In Österreichs Gefängnissen verschärfen Überbelag, Beschäftigungsmangel und eine marode Infrastruktur die Haftbedingungen.

Foto: Elmar Gubisch

Wien – Für Gertrude Brinek ist es das letzte Mal, dass sie als Volksanwältin Jahresbilanz zieht. Nach zwei je sechsjährigen Amtsperioden kann sie in ihrer Funktion als Kontrolleurin der öffentlichen Verwaltung und Anlaufstelle diesbezüglicher Beschwerden heuer nicht mehr verlängert werden.

Wer ihr auf dem ÖVP-Ticket nachfolgen wird – die Volksanwälte werden von den drei mandatsstärksten Fraktionen im Nationalrat vorgeschlagen, was für Kritik sorgt -, wisse sie "leider nicht", sagte Brinek am Mittwoch vor der Presse. Um sogleich auf Inhaltliches umzuschwenken: Im Strafvollzugsbereich herrschten seit ihrem Amtsantritt vor elf Jahren die gleichen massiven Probleme vor: "Überbelag, mangelnde Beschäftigung und schlechter Zustand der Räumlichkeiten."

Brisante Jahresberichte

Wie sich das auf die Gefangenen auswirkt, ist in den beiden am Mittwoch präsentierten Jahresberichten 2018 der Volksanwaltschaft an National- und Bundesrat nachzulesen. Da beschwert sich etwa ein Insasse des Maßnahmenvollzugs in der Justizanstalt (JA) Suben, weil er vier Monate mit drei weiteren Männern auf 15,29 Quadratmetern untergebracht war.

Ein Gefangener der JA Josefstadt – laut Brinek ein Missstands-"Hotspot" – beklagt, dass er täglich 23 Stunden beschäftigungslos in seiner Zelle eingesperrt ist. Grund dafür, unter anderem: Personalknappheit bei der Justizwache. Und in der forensischen Abteilung der Linzer Kepler Universitätsklinik, so der Bericht, "ist die Raumnot dermaßen groß, dass ein Patient auf dem Gurtenbett schlafen muss".

Gegen mehr Schlagstöcke

Brineks Schlussfolgerung: "Wenn das Ziel der Haft eine Resozialisierung sein soll, müssen die Bedingungen sowohl für die Inhaftierten als auch für das Personal verbessert werden." Das werde Geld kosten: "Darum kommt man nicht herum." Den Herausforderungen im Strafvollzug – sowie in den Polizeianhaltezentren, für deren Kontrolle jedoch Volksanwalt Peter Fichtenbauer zuständig ist – könne man "nicht allein mit technischen Verbesserungen wie längeren Schlagstöcken und dickeren Schutzwesten begegnen".

Mit dem vielfach ungenügenden Brandschutz in Polizeianhaltezentren und dem Personalmangel in Polizeiinspektionen hielt sich der von der FPÖ nominierte Fichtenbauer nicht lange auf. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) fehle für Verbesserungen vielfach das Geld, sagte er – und kritisierte diesbezüglich das Finanzministerium.

Fichtenbauer teils amtsmüde

Weit ausführlicher ging Fichtenbauer – Stichwort Digitales Amt – auf die Schwächen der elektronischen Wohnsitzanmeldung ein, für die Österreicher seit März 2019 keine Unterschrift des Unterkunftgebers mehr brauchen: "Das wird hundertprozentig zu Missbrauch führen", sagte er. Auf Befragen zeigte er sich teilweise amtsmüde. Zuweilen überkomme ihn der Wunsch, wieder als Anwalt zu arbeiten.

Künftig sicher nicht mehr Volksanwalt wird der von der SPÖ nominierte Günther Kräuter sein. Sein Nachfolger, ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz, steht schon fest. Kräuter wiederholte seine Forderung, die Masernschutzimpfung bei Strafe des Entzugs von Kinderbetreuungsgeld in den Mutter-Kind-Pass zu integrieren. (Irene Brickner, 25.4.2019)