Die Erdäpfelbauern schwirrten mit Leiterwagerln durch die Wiener Innenstadt.

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Wien – Die japanischen und italienischen Touristen staunten am Donnerstag nicht schlecht: Neben den üblichen Polizeiwagen fuhren am Vormittag drei Traktoren samt Anhängern auf dem Wiener Heldenplatz vor. Die bis obenhin mit Kartoffeln befüllten Gefährte wurden von rund 120 Erdäpfelbauern begrüßt. Sie machten mit Taferln und Bannern auf starke Ernteausfälle durch Dürre und Wurmbefall aufmerksam und versuchten, eine Lanze für den großzügigeren Einsatz von Pestiziden zu brechen.

Landwirte verteilten ihre "letzten" Kartoffeln an Passanten und fanden dabei kaum positive Worte: In Österreichs Supermärkten würden aufgrund von Engpässen zunehmend Erdäpfel aus Ägypten und Israel landen: "Dort werden Pflanzenschutzmittel eingesetzt, die wir nicht verwenden dürfen", klagt der Hollabrunner Erdäpfelbauer Johannes Kraus und fordert faire Wettbewerbsbedingungen.

Halbe Ernte kaputt

Auch Roland Weber, der im Weinviertel auf 15 Hektar Kartoffeln anbaut, hat sich der Kundgebung angeschlossen. Auf seinem Feld sei im Vorjahr die halbe Ernte kaputtgegangen. Dabei gebe es sehr wohl Mittel, um gegen Drahtwürmer vorzugehen, erklärt der Landwirt. "Aber jeder, der spritzt, ist gleich ein Schwerverbrecher. Vermehrt einsetzen will die Landwirtschaft etwa Mittel wie Mocap, die derzeit nur noch über Notfallszulassungen ausgebracht werden dürfen. Dem Sicherheitsblatt des Insektizids ist zu entnehmen, dass bei Hautkontakt Lebensgefahr besteht. Bei starker Trockenheit riskierten Bauern, dass es sich über den Staub verbreitet, sagt der Ökonom Johann Zaller. In Deutschland, Ungarn und Tschechien sei es im Übrigen verboten.

Auf dem Wiener Heldenplatz wurden symbolisch die "letzten" heimischen Kartoffeln verschenkt.
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Franz Sinabell, Experte des Wifo, sieht die Landwirte jedoch von vielen Seiten in Bedrängnis. Trockengebiete dehnten sich aus, neue Schädlinge tauchten auf. Wetter und Preise ließen sich nicht beeinflussen, und auf Bio umzusteigen traue sich nicht jeder zu. Also drehten sie an dem Hebel, der ihnen bleibe: der Regulierung der Pestizide. "Sie bauen politischen Druck auf und hoffen nun auf eine Atempause." Diese werde es vermutlich aber nicht geben. Sinabell rät rund um die Kartoffel zu einem weniger restriktiven Umgang mit Spritzmitteln. Es sei nämlich fraglich, ob Produzenten außerhalb Österreichs ähnlich hohe Maßstäbe beim Anbau ansetzten: "Österreich exportiert einen Chemieeinsatz, den wir vor der eigenen Tür nicht wollen, in andere Märkte." Wobei Länder wie Deutschland und Frankreich, wie er einräumt, sicher ähnliche Standards hätten.

Drahtwürmer und Dürre haben den Erdäpfeln zugesetzt, sagen die Landwirte.
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Befürworter ganzjährig regionalen Gemüses verweisen auf sozial widrige Bedingungen, denen Saisonarbeiter in Spanien ausgesetzt seien. Ein rotes Tuch ist vor allem Ware aus Ägypten: Angebaut werden Feldfrüchte mitten in der Wüste, knappes fossiles Wasser dient der Bewässerung.

Ökologen schlagen als Alternative zu mehr Pestiziden neue Modelle für Versicherungen vor, mit denen sich Ernteausfälle finanziell abfedern ließen, etwa indem ein Teil der Agrarförderungen dafür einbehalten werden. Wetterextreme und Ernteverluste würden zunehmen. Die Ursache dafür liege aber nicht im Verbot von Pestiziden, sondern in der Klimakrise und Handelspolitik, richtet der Verband alternativer Bauern Via Campesina aus. Und der Handel?

ORF

Rewe betont, die Übergangszeit mit Importen kurz zu halten. Aufgrund des warmen Frühjahrs bahne sich eine Frühernte bei Kartoffeln bereits Ende Mai an. (vk, lauf)