Das ewige Dilemma der österreichischen Politik: Wenn es keine Koalition aus Rot und Schwarz werden soll, dann bleibt nur eine absolute Mehrheit (nicht mehr realistisch) oder eben eine Koalition mit der FPÖ. So alle paar Jahre versucht es dann eine Partei: 1983 ließ sich die SPÖ auf eine Koalition ein, was 1986 scheiterte; im Jahr 2000 dann die ÖVP, was 2006 schiefging. Jetzt halt wieder die ÖVP.

Historisch haben Teile sowohl der ÖVP wie der SPÖ schon relativ bald nach dem Krieg versucht, sich die FPÖ (beziehungsweise ihren Vorläufer VdU) schönzureden, um der ungeliebten Koalition mit der jeweils anderen Partei zu entgehen. Das scheiterte an diversen Widerständen, aber auch an der Sehnsucht der "Ex"-Nazis, "ideologisch rein" zu bleiben. Der große Coup gelang ausgerechnet Bruno Kreisky, einem jüdischen Flüchtling vor den Nazis. Kreiskys Beziehung zu den "Ex"-Nazis ist eine tiefenpsychologische Abhandlung wert. Er empfand fast mehr Hass gegen die autoritären Christlich-Sozialen, die ihn eingesperrt hatten als gegen die Nazis. Er erzählte immer wieder die Geschichte von dem "anständigen" illegalen Nazi, mit dem er gemeinsam in der Zelle saß und der ihm dann bei der Emigration behilflich war.

Machtpolitische Motivation

Natürlich war Kreisky auch machtpolitisch motiviert. Als sich die Gelegenheit bot, die Kanzlerschaft zu erringen, machte er 1970 einen Deal mit dem FPÖ-Chef Friedrich Peter, der eine SPÖ-Minderheitsregierung duldete. Ein Jahr später ging Kreisky in Neuwahlen und errang seine erste von drei absoluten Mehrheiten. Aber es gibt auch den psychologischen Aspekt: Kreisky mag tief drinnen Genugtuung empfunden haben, dass der SSler Peter vor ihm, dem Juden, quasi salutieren musste. Aber Kreiskys Reaktion von 1975 auf die Enthüllung im "Profil", dass Peter im Krieg Mitglied einer SS-Judenmord-Einheit gewesen war, war unerträglich. Gegen die Verstrickung von Peter in monströse NS-Verbrechen (er musste zumindest davon gewusst haben) sind die heutigen "Einzelfälle" der FPÖ Kinderkram. Aber Kreisky nahm Peter wütend in Schutz und zwang dann 1983 seinen Nachfolger Fred Sinowatz, mit der FPÖ eine formelle Koalition einzugehen.

Ständige Hetze gegen irgendwen

Heute huldigt die zweite und dritte Reihe der FPÖ noch immer NS-Gedankengut, und die Partei als Ganzes ist antiliberal, autoritär und lebt von ständiger Hetze gegen irgendwen. Das geht auf die Dauer in einer Demokratie nicht. Ändern wird sich die FPÖ nicht, und deshalb gibt es für sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder scheitert sie ein drittes Mal, oder es gelingt ihr, dauerhaft an der Macht zu bleiben und Österreich in eine autoritäre "Demokratie" zu verwandeln.

Das ist das Problem des Sebastian Kurz. Das Problem der SPÖ ist es, dass ihre Parteispitze aus den richtigen Gründen eine Koalition mit der FPÖ ablehnt, aber zu wenig Autorität hat, um alle in der Partei darauf zu verpflichten.

Das Problem Österreichs ist, ob eine Partei wie die FPÖ weiter auf solchen Zuspruch stößt. Es geht sehr wohl ohne die FPÖ. Es müssen allerdings genügend Wähler zu der Ansicht kommen, dass eine FPÖ doch besser nicht die Geschicke des Landes mitbestimmen sollte. Hier, an dieser Frage, entscheidet sich, wo Österreich in Zukunft hingeht. (Hans Rauscher, 26.4.2019)