Bürgermeister Michael Ludwig bat als erster Redner die anwesenden Delegierten um Zustimmung.

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Jene von Pamela Rendi-Wagner hat er: Das Vorhaben von Türkis-Blau sei "armselig."

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Peter Hacker hat schon des öfteren erklärt, was er von der Novelle der Mindestsicherung hält.

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Ebenfalls anwesend: Ex-Bürgermeister Michael Häupl.

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Wien – Die SPÖ wird die Novelle der Mindestsicherung vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) bekämpfen. Aber nicht die Wiener SPÖ wird das Höchstgericht anrufen, sondern die roten Mitglieder des Bundesrats. Beim Landesparteitag der Wiener SPÖ am Samstag bat Bürgermeister Michael Ludwig als erster Redner die anwesenden Delegierten um Zustimmung für dieses Vorgehen, gemeinsam "mit dem Bundesrat gegen das Gesetz vorzugehen". Er werde gleich am Montag die sozialdemokratischen Bundesräte aus Wien zu sich bitten und "alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten ausloten".

Ludwig kritisierte die Bundesregierung wegen des neuen Gesetzes scharf: "Wie kann man Politik gegen Kinder machen?", fragte er. Zuletzt hatte Sozialstadtrat Peter Hacker angekündigt, dass Wien das Gesetz in der vorliegenden Form nicht umsetzen werde.

Ein Drittel der Mitglieder des Bundesrates kann Bundesgesetze vor das Höchstgericht bringen. Die SPÖ verfügt diesbezüglich über genug Abgeordnete in der Länderkammer. Das neue Gesetz tritt im Juni in Kraft, kurz danach soll die Beschwerde laut SPÖ eingebracht werden.

"Nicht nur kaltherzig, sondern armselig"

Bei ihrer ersten Rede vor den Delegierten des Wiener Landesparteitags sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, dass das Vorhaben von Türkis-Blau "nicht nur kaltherzig, sondern armselig" sei. Seite an Seite mit den Bundesländern werde die SPÖ im Bundesrat alles tun, um dieses "Unsozialhilfegesetz" vor dem Höchstgericht "zu Fall zu bringen". Die angekündigten Kürzungen des vorliegenden Gesetzes würden bei Familien mit Mindestsicherung 40 Millionen Euro betragen. Das sei laut Rendi-Wagner dieselbe Summe, die die Bundesregierung für Werbemaßnahmen der Kabinette ausgebe. "Was für eine verkehrte Welt."

Hacker: "Machtplan der Burschenpartie"

Sozialstadtrat Hacker bezeichnete die türkis-blaue Reform am Rande des Parteitags als "eindeutig verfassungswidrig" und sprach von einem "Machtplan der Burschenpartie", dem sich die SPÖ vehement entgegenstelle. EU-widrig sei zudem der Umgang mit Flüchtlingen: Wie berichtet sollen nicht gut Deutsch sprechende Bezieher weniger Geld erhalten. Das sind bei vollem Bezug rund 300 Euro weniger.

Wien werde das Gesetz so, wie es sich die Bundesregierung wünscht, jedenfalls nicht umsetzen, sagte Hacker. "Die Bundesregierung kann mir sicher keine Vorgaben machen. Jedes Gesetz hat Spielräume. Der Bund tut so, als hätte er Generalregierungskompetenz."

Wien müsste bis Ende des Jahres auf Basis des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes ein eigenes Landesgesetz erarbeiten. Hacker sieht hier aber "keinen Grund für übertriebene Eile." Rechtlich begibt sich Wien mit der Weigerung, die Bundesvorgaben zu erfüllen, freilich auf heikles Terrain. Denn die VfGH-Klage der SPÖ hat diesbezüglich keine aufschiebende Wirkung. Auf die Frage, wann Wien gesetzlich aktiv wird, antwortet Hacker ausweichend. "Es gibt keinen Grund für eine Deadline." Zudem könnte mit der Mindestsicherungsnovelle auch der europäische Gerichtshof beschäftigt werden, sagte der Stadtrat.

Kaiser: "Einzig richtiger Schritt"

Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Peter Kaiser (SPÖ), und der derzeitige Präsident des Bundesrates, Ingo Appe, bezeichneten am Samstag in einer Aussendung "den von SPÖ-Bundesparteivorsitzender Pamela Rendi-Wagner initiierten Weg" als "einzig richtigen Schritt, um drohenden Schaden von tausenden Familien und Kindern und eine weitere Spaltung der Gesellschaft zu verhindern".

Appe sagte: "Namhafte Experten sind überzeugt, dass dieses Gesetz vor dem Verfassungsgericht nicht standhält". Verfassungsrechtlich fragwürdig sei etwa die Leistungsbemessung für Kinder. So werde ab dem dritten Kind nur noch ein Betrag von 45 Euro ausbezahlt.

Die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch griff in einer Aussendung am Samstag vor allem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda an, der ebenfalls seine Unterstützung für die VfGH-Klage kund tat. Drozda würde einen "Klassenkampf aus dem Porsche 911" betreiben, sagte Belakowitsch. "Es muss wohl eine Art 'Torschlusspanik' sein, um noch ein bisschen auf sich aufmerksam zu machen, denn seine Tage dürften gezählt sein, wie man so munkeln hört." (David Krutzler, Oona Kroisleitner, 27.4.2019)