Zement ist nach Wasser das meistverbrauchte Material auf der Welt. Doch der günstige, vielseitige und wetterfeste Baustoff hat eine dunkle Seite.

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Wer an den Klimawandel denkt, denkt an Autos, Kohlekraftwerke und Transatlantikflüge, vielleicht auch an Rinderherden und Sojafutter. Dass ein nicht unerheblicher Teil der weltweiten CO2-Emissionen aber auf das Konto von Zement geht, ist den meisten Menschen nicht bewusst.

Zement ist der Stoff, der die Welt zusammenhält: Er klebt als Mörtel Ziegelsteine aneinander, und mit Sand vermischt prägt er als Beton die heutige Architektur. Von keinem Material verbraucht die Menschheit größere Mengen als von der grauen Masse – abgesehen von Wasser. Unglaubliche vier Milliarden Tonnen Zement werden Jahr für Jahr hergestellt und verbaut. Vor allem die Schwellenländer – China, Indien, Brasilien – brauchen für ihre Infrastrukturprojekte wie Staudämme, Wolkenkratzer und Flughäfen Millionen Tonnen Zement. Seit der Jahrtausendwende ist der Bedarf dort explodiert.

So viel CO2 wie Indien

Der Bauboom lässt das Klima nicht kalt: Acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen auf die Zementproduktion zurück – mehr als beim globalen Flugverkehr. Wäre die jährliche Zementindustrie ein Land, sie würde so viel CO2 in die Atmosphäre blasen wie ganz Indien.

Wenn wir von Zement sprechen, meinen wir meistens sogenannten Portlandzement. 98 Prozent des weltweit verwendeten Zements gehören in diese Kategorie. Wie er produziert wird, ist schnell erklärt: Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz werden vermahlen und auf etwa 1450 Grad erhitzt. So entsteht aus dem Kalk Calciumoxid – und aus Luftsauerstoff CO2. Dazu kommen noch die Emissionen des Brennstoffs, der notwendig ist, um das Gemisch so stark aufzuheizen.

Österreichs Zementindustrie arbeitet effizient

Beim Brennstoff kann gespart werden, der chemische Prozess selbst, der für etwa 61 Prozent der Emissionen verantwortlich ist, lässt sich jedoch nicht austricksen. "Es gibt einen Mindestenergiebedarf, damit die Reaktion abläuft", sagt Andreas Werner vom Institut für Energietechnik und Thermodynamik der TU Wien. In Österreich komme man dem schon sehr nahe. Die Vereinigung der österreichischen Zementindustrie brüstet sich damit, den weltweit geringsten CO2-Ausstoß pro Tonne zu haben. Trotzdem heizen auch die hiesigen Zementöfen das Klima an.

Zement als Klimakiller – so einfach sei es aber auch wieder nicht, behauptete zumindest eine 2016 erschienene Studie: Chinesische und US-amerikanische Wissenschafter haben darin herausgefunden, dass Zement bei der Verwitterung einen Teil des bei der Produktion freigesetzten CO2 wieder aufnehmen kann. Das passiert allerdings nur, wenn der Baustoff in direktem Kontakt mit Luft ist. 43 Prozent des bei der Herstellung entstandenen CO2 sollen auf diese Weise seit 1930 wieder aus der Atmosphäre geholt worden sein. Die Wissenschafter kritisieren, dass dieser Effekt in den Berechnungen des Weltklimarats nicht berücksichtigt werde.

Kampf dem Kalk

Es gibt zwar andere Stoffe, die dem Zement beigemengt werden könne, um den Kalkanteil zu verringern, etwa Hüttensand, gemahlene Schlacke oder Flugasche aus Kohlekraftwerken. "Aber Zement ist eben nicht Zement", sagt Andreas Werner von der TU. Es gebe ganz spezielle Anforderungen an die vielen Arten von Zement, beliebig substituieren lässt sich Kalkstein nicht. Aber selbst wenn weniger Kalk im Zementsack – und damit weniger CO2 in der Luft – landet, nachhaltig ist er trotzdem nicht. Denn damit er zu Beton wird, muss er erst mit Sand vermischt werden – einem Rohstoff, der zunehmend knapp wird.

Steigende Meerespiegel bedrohen Strände, verbaute Küsten verhindern, dass Sand aus dem Landesinneren nachfließt, und Touristen tragen den Sand in Flip-Flops und Badetüchern langsam davon. Dazu kommt eine durch den Bauboom beförderte Sandmafia, etwa in Indien, die illegal Sand abbaut und vor Gewalt nicht zurückschreckt.

Auf dem Holzweg

Dem australischen Thinktank Beyond Zero Emissions gehen die Bemühungen der Industrie nicht weit genug. Laut ihm könnte die Zementproduktion klimaneutral werden. Langfristig soll die Zementindustrie sogar kohlenstoffnegativ werden, also mehr CO2 absorbieren, als sie produziert. Dazu müsste Kalk durch Magnesiumsilikat ersetzt werden, das bei der Produktion CO2 aus der Luft aufnimmt. Die Ideen sind zwar auf Australien zugeschnitten, könnten aber auf andere Regionen umgelegt werden.

Oft wird Beton verwendet, um Stahl zu verstärken und ihn vor Korrosion zu schützen. Ersetzt man den Stahl nun durch stabilere und rostfreie Kohlenstofffasern, könnte man dünnere Pfeiler und Mauern konstruieren und so den Zementverbrauch verringern.

Zudem schlägt der Thinktank vor, wieder mehr mit Holz zu bauen. Über einen Zeitraum von 30 Jahren könnten so 15 Prozent an Zement eingespart werden. (Philip Pramer, 2.5.2019)