Österreich schont die Verursacher von Emissionen.

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Österreich wird Millionen Euro in den internationalen Klimaablasshandel stecken müssen, kritisieren der Humanökologe Helmut Haberl und der Klimaökonom Karl Steininger im Gastkommentar die klimapolitische Untätigkeit. Das Geld könnte man nach Meinung der Wissenschafter besser investieren.

Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird Österreich bis 2030 bis zu sieben Milliarden Euro für den Kauf von Emissionszertifikaten ausgeben müssen. Umweltministerin Elisabeth Köstinger sagte zwar, dies könne durch rasches Handeln vermieden werden. Doch konkrete Maßnahmen, die das Blatt noch wenden könnten, sind weit und breit nicht in Sicht. Vielmehr ließ die Regierung mit ihrer jüngst präsentierten Steuerreform eine weitere Chance ungenützt verstreichen, dem Klimawandel durch eine Ökologisierung des Steuersystems wirksam zu begegnen.

Was bedeutet das konkret? Regelkonform wird Österreich aus dem Budget Emissionszertifikate bei jenen Ländern erwerben müssen, die ihre vertraglichen Verpflichtungen übererfüllt haben. Wie hoch der Preis der Zertifikate sein wird, ist derzeit nicht genau kalkulierbar. Jedenfalls wird Österreich jenen Ländern, die durch rechtzeitige Umgestaltung der Rahmenbedingungen für ein zukunftsfähiges Leben und Wirtschaften ihre Treibhausgasemissionen wirksam senken konnten, erhebliche Summen überweisen – weil hierzulande nicht rechtzeitig vorgesorgt wurde.

Schaden für Volkswirtschaft

Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ohne wirksame Klimapolitik zahlen wir neben den Zertifikatskosten auch weiter sehr viel Geld für Fossilenergieimporte ans Ausland. Im Inland steigen derweil die Budgetbelastungen durch wetter- und klimabedingte Schadereignisse munter an – bestimmt zumindest weitere zehn Milliarden Euro.

So entstehen gewaltige volkswirtschaftliche Schäden – in der Dimension größer als die Hypo-Pleite. Dieses Geld steht nun hierzulande nicht mehr zur Verfügung, um Innovationen voranzutreiben und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Österreich bleibt immer weiter zurück, was ganzheitliche Lösungen zur Bewältigung der aktuellen Krisen betrifft, die einander bedingen: Klimakrise, (klimabedingte) Migration und soziale Ausgrenzung.

Andere Länder im Vorteil

Das ist nicht nur ein Wettbewerbsnachteil. Während die klimapolitische Untätigkeit andauert, werden weiterhin jene fossilenergiebasierten Strukturen ausgebaut, die ein Umsteuern in Richtung einer zukunftsfähigen Lebensweise immer stärker behindern. Denn diese wird kohlenstoffneutral sein; andere Länder zeigen es längst vor. Schwedens Klimagesetz sieht vor, dass das Land bis 2045 überhaupt treibhausgasfrei ist. Was dazu geführt hat, dass alle wichtigen Industriesektoren Carbon-free Roadmaps beschlossen haben.

Schweizerinnen und Schweizer erhalten jedes Jahr im August den Klimabonus ausbezahlt. Dieser speist sich aus den Einnahmen aus den CO2-Abgaben, die das Land von fossiler Energie wegbringen. Alle, die klimafreundlicher als der Durchschnitt leben, profitieren. In Österreich hingegen werden die Kosten für die Emissionszertifikate einfach auf Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern überwälzt. Anreizwirkung für den Klimaschutz? Fehlanzeige.

Fossiler Irrweg

Hierzulande diskutieren wir Tempo 140 auf der Autobahn statt zukunftsfähiger Verkehrskonzepte, sind Europameister beim Zubetonieren der Landschaft und schrauben unsere Baustandards aus kurzsichtigen Kostenüberlegungen zurück. Das entfernt uns nicht nur vom Pariser Klimaziel, sondern auch von zukunftsfähigen Wirtschafts- und Infrastrukturen, die unseren Kindern und Enkeln ein leistbares gutes Leben ermöglichen würden: Gebäude mit hoher energetischer Qualität, die eine aktive Rolle in der Energiebereitstellung und -speicherung übernehmen; ein Mobilitätssystem, das alle Mobilitätsformen integriert und fußläufigen Raumstrukturen wieder ihren Platz gibt; Netze für Strom, Wärme und Information, die aufeinander abgestimmt die Digitalisierung klug nutzen.

Österreich hat die Wahl: Wollen wir auf unserem im wahrsten Sinn des Wortes fossilen Pfad bleiben, unterstützt von ökologisch kontraproduktiven Subventionen, Stichwort Dieselprivileg? Weiterhin die Verursacher der Emissionen schonen und die Kosten der Allgemeinheit aufbürden? Oder wäre es nicht doch besser, den Weg einzuschlagen, den die EU-Kommission in ihrer jüngsten, sehr lesenswerten "strategischen, langfristigen Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft" vorzeichnet?

Steuerliche Rahmenbedingungen

Wir könnten es so machen wie die Niederlande, die gerade Maßnahmen einführen, die gezielt jene Aktivitäten verteuern, die am meisten zu den hohen Emissionen beitragen, statt die Lasten auf alle zu verteilen.

Wie das ginge, ist längst bekannt: Mittels geeigneter steuerlicher und ordnungsrechtlicher Rahmenbedingungen und öffentlicher Pilotprojekte gilt es, die Richtung in eine wirtschaftsgerechte (Stichwort Innovation), umweltgerechte (Stichwort Lebensqualität) und sozial gerechte (Stichwort Teilhabe) Zukunft vorzuzeichnen. Mit den vielen Milliarden, die Österreich für Emissionszertifikate ausgeben wird, könnte man hierzulande viel tun, um auf diesem Weg voranzukommen – und uns diese Zertifikatskosten zu ersparen. Aber vor allem: unser Land damit zukunftsfit zu machen – und in Hinkunft noch Spiel- und Gestaltungsraum im Budget zu haben. (Helmut Haberl, Karl Steininger, 6.5.2019)