Die Verhandlung gegen den früheren Bawag-Chef Johann Zwettler und andere wird nicht in Wien, sondern am Landesgericht Wiener Neustadt stattfinden.

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Wien – Als juristische Besonderheit wird der Strafprozess zur Causa "Blitzkredit" der Bawag an die Brokergesellschaft Refco starten. Die Verhandlung der Angelegenheit, in der die Staatsanwaltschaft Wien rund 13 Jahre ermittelt und Ende Februar Anklage gegen den früheren Bawag-Chef Johann Zwettler und drei weitere Ex-Manager der damaligen Gewerkschaftsbank erhoben hat, wird nicht in Wien, sondern am Landesgericht Wiener Neustadt stattfinden. Grund: Alle Richter des Wiener "Landl", wie die Wiener das Straflandesgericht gern nennen, gelten als befangen.

Der Anlass für diese eher selten vorkommende "strukturelle Befangenheit": Einer der Angeklagten ist seit kurzem mit einer Staatsanwältin verheiratet, die in der Wirtschaftsgruppe des Hauses beschäftigt ist. Der einstige Banker war im Bawag-Verfahren rund um Helmut Elsner und Walter Flöttl und die "Karibikverluste" freigesprochen worden; auch seine jetzige Frau hatte mit dieser und der Causa Refco zu tun.

Verhandlung in Wiener Neustadt

Zuständig für den Refco-Prozess wäre eigentlich ein Richtersenat am Straflandesgericht Wien gewesen – aber der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Wien hat die Strafsache Refco nun ans Landesgericht Wr. Neustadt übertragen. Laut OLG-Beschluss sind alle Richterinnen und Richter des Straflandesgerichts Wien sowie dessen Präsident und Stellvertreter vom Verfahren ausgeschlossen, weil befangen. Also wandert das Verfahren nach Wr. Neustadt.

Ihren Ausgangspunkt nahm diese Übersiedlung bei jenem auf Wirtschaftssachen spezialisierten Richter des Straflandesgerichts Wien, bei dem die Causa Refco nach Anklageerhebung zur Verhandlung gelandet war. Er zeigte seine Befangenheit bzw. "Ausgeschlossenheit" an.

"Kein gutes Bild"

Die Tatsache, dass einer der Angeklagten mit einer Wirtschaftsstaatsanwältin verheiratet sei, könnte wegen der "laufenden Zusammenarbeit" nach außen hin den Anschein einer Befangenheit erwecken, argumentierte der Richter. Und er berief sich auf Aktenvermerke über Gespräche mit den Verteidigern der Angeklagten, die auf das Naheverhältnis hinwiesen und zu bedenken gaben, dass das bei einer Verhandlung am Straflandesgericht Wien "nach außen hin kein allzu gutes Bild mache und eine reißerische Schlagzeile geben werde".

Der Präsident des Straflandesgerichts Wien sieht diese Gründe für alle Richter seines Hauses (verhandeln können sie nur Richter der Wirtschaftsgruppe) gegeben, zeigte das beim OLG an – und das sieht es auch so. Ausgeschlossen vom Verfahren seien Richter dann, wenn es Gründe für Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit geben könnte, da reichten schon Tatsachen, die den "Anschein einer Voreingenommenheit, einer ... Beeinflussbarkeit hervorrufen könnten", ist im Beschluss des OLG zu lesen. Zwei Gründe gebe es für die "strukturelle Befangenheit" des Gerichts: dass der Angeklagte der Ehemann einer Wirtschaftsstaatsanwältin der im selben Gebäude wie das Straflandesgericht Wien untergebrachten StA Wien sei – und dass es sich um ein "glamouröses (*), medienträchtiges Verfahren" handle.

Eine Seltenheit

Der Ausschluss eines ganzen Gerichts von einer Causa ist selten, kommt aber vor. Vor allem, wenn Richter über eigene Kollegen oder Staatsanwälte aus demselben Gericht zu verhandeln hätten. Zuletzt war das etwa im Vorarlberger "Testamentsfälscherprozess" der Fall: Der wurde in Salzburg verhandelt.

Die beiden Eheleute wollen nichts zu alledem sagen, es gehe um ihren höchstpersönlichen Lebensbereich.

In der Causa Refco geht es um den Vorwurf des schweren Betrugs und der Untreue. Die Banker gewährten u. a. ihrem Geschäftspartner Refco und dessen Gründer Philip Bennett im Oktober 2005 einen Kredit von 350 Mio. Euro; damals war das Brokerhaus aber so gut wie pleite. Gesamtvorstand und Aufsichtsrat waren laut Anklage nicht informiert; besichert war der Kredit mit Bennetts (wertlosen) Refco-Aktien. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, 14.5.2019)