Die Bundesländerzeitungen sind ein wichtiger, von Wien aus manchmal (auch quantitativ) unterschätzter Bestandteil der Presselandschaft. Deswegen nimmt man es auch ernst, wenn Hubert Patterer, der Chefredakteur der "Kleinen Zeitung" (die zweitgrößte nach "Krone") ein "bedrohliches, mit Feindseligkeit aufgeladenes Lagerdenken" ausmacht, das "zunehmend die politische Kultur im Land vergiftet".

Richtig, aber wer bestimmt die Debatte in einem Land? Wer setzt den Ton?

An sich alle gesellschaftlichen Kräfte, aber der Ton der Debatte wird entscheidend vom Kanzler mitbestimmt. Umso mehr, als Sebastian Kurz ein wortgewandter Politiker ist. Aber was dieser Kanzler zuletzt an Debattenbeiträgen abliefert, passt nicht ins Kanzlerformat. Kurz gräbt aus wahltaktischen Überlegungen uralten populistischen Käse über die EU aus ("bevormundend" und "bürokratisch"). Das ist sachlich zunächst einmal falsch.

Aber wichtiger: So etwas Banales erwartet man nicht von einem europäischen Regierungschef. Zu Europa muss einem österreichischen Kanzler etwas anderes einfallen als eine Polemik gegen eine angebliche Schnitzelpanierverordnung (die es so gar nicht gibt).

Ganz zu schweigen von der Vizekanzler-Partei. Die FPÖ ist die Partei der "Einzelfälle" und des feindseligen Lagerdenkens. Letzter "Einzelfall": Sie setzt einen rechtsextremen Provinz-Pinsler, der den Vornamen "Odin" angenommen hat, in einen Kunstbeirat. Der Mann hat die Rektorin der Kunstakademie als "hässliches und dummes Stück Fleisch" bezeichnet. Mehr Vergiftung geht kaum.

Globalisierungsverlierer

Die Spaltung, die Patterer anspricht, hat ja gesellschaftliche, strukturelle Ursachen. Sie ist in ganz Europa feststellbar, auch in den USA. Sie lässt sich auch klar soziologisch zuordnen. An sich wohlhabende Gesellschaften driften auseinander – in eine gebildete, weltläufige, von der Globalisierung profitierende, meist städtische Schicht und in eine mit weniger erfolgreichen, abgehängten Globalisierungsverlierern in den ländlichen Gebieten. In Österreich in das Land, das Norbert Hofer, und die Stadt, die Van der Bellen gewählt hat.

Diese Diskrepanz haben sich in den USA, in ganz Europa und ganz besonders in Österreich die Rechtsextremisten zunutze gemacht. Sie haben sich aus den Löchern, in die sie zumindest in Europa nach dem Jahrtausenddebakel des Nationalismus und Nationalsozialismus gejagt wurden, immer kühner hervorgewagt und ihre alten Themen – Hass auf "die anderen", Versprechen eines völkisch exklusiven Sozialstaates – erfolgreich in Wahlerfolge umgesetzt.

Ihr "Stammeskrieg" (Patterer) bestimmt die politische Debatte. Hier muss man den Standpunkt von den "beiden Seiten", die sich gleich schuldig machen, verlassen. Die "Linke" oder sogar die Liberalen haben auch den Ton verschärft. Aber die pure, unverfälschte Aggression geht auf die Rechtsextremen zurück, zu denen man die FPÖ zählen muss.

Die türkis-blaue Regierung hat die frühere Konsensdemokratie über Bord geworfen. Die FPÖ hat eine Vision von einem autoritären System à la Orbán und Putin, die Kurz-ÖVP will ein rechtskonservatives, illiberales Österreich. "Das öffentliche Reden zu entmilitarisieren" (Patterer) ist zugleich notwendig und unter diesen Umständen schwierig. Man sollte es als liberaler Demokrat jedenfalls versuchen. Aber nicht um den Preis der Wahrheit; und im Wissen, dass es den Rechtsextremen wie den Nationalkonservativen nicht um Debatte, sondern um Hegemonie geht. (Hans Rauscher, 14.5.2019)