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Sellner und das "normale Dankesschreiben".

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Tausendfünfhundert Euro: Eine Spende in dieser Größenordnung erhält Martin Sellner, Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung, nicht jeden Tag. Das sagt nicht nur Sellner selbst, das bestätigen auch Recherchen des STANDARD. Besonders ist außerdem, dass die Überweisung aus dem englischsprachigen Ausland kommt – und zwar von einem Australier namens B. T., der für die Spende den Onlinedienst Stripe nutzt. Grund genug für Sellner, am 6. Jänner 2018 frühmorgens eine E-Mail zu verfassen.

"Ich möchte dir persönlich für deine unglaubliche Spende danken", schrieb Sellner. Er sei "wirklich überrascht und begeistert". "Das hier ist meine persönliche E-Mail-Adresse – kontaktiere mich jederzeit, wenn du willst", so Sellner.

Daraus entwickelt sich ein kurzer E-Mail-Verlauf zwischen Sellner und dem mutmaßlichen Rechtsterroristen T., der ein Jahr darauf über fünfzig betende Muslime, darunter Kinder, in zwei Moscheen in Neuseeland ermorden wird. Über seine Spende schreibt T. an Sellner, dass es nur "ein kleiner Betrag im Vergleich zu der vielen Arbeit, die du leistest", sei. "Du wirst von Menschen auf der ganzen Welt unterstützt", so T., und: "Es ist noch ein langer Weg bis zum Sieg, aber jeden Tag werden unsere Leute stärker."

"Energie und Motivation"

T.s Worte, so schreibt Sellner zurück, gäben ihm "wirklich Energie und Motivation". "Wenn du je nach Wien kommst, müssen wir auf einen Kaffee oder ein Bier gehen." Die Einladung wird erwidert. "Das gilt auch für dich, wenn du je Australien oder Neuseeland besuchst", antwortet T. dem Wiener Rechtsextremisten. Fakt ist, dass T. in den Monaten darauf mehrere Tage in Österreich verbringt – und einen Tag nach dem letzten E-Mail Kontakt zwischen Sellner, T. "und anderen" online ein Mietauto in Österreich reserviert. Deshalb untersuchen Ermittler nun mit Hochdruck, ob es zu einem Treffen zwischen Sellner und dem späteren Terroristen kam.

Sellner bestreitet das vehement. In seiner Beschuldigtenvernehmung gibt er an, T. nicht persönlich zu kennen. Dieser scheine auch in "keiner Mitgliederliste" der Identitären auf – ein interessanter Satz, bestritt die Identitäre Bewegung doch unlängst, dass es so etwas wie eine Mitgliederliste überhaupt gebe.

Ermittler bleiben misstrauisch

Doch die Ermittler bleiben nach wie vor misstrauisch. So meldete Sellner die Spende des mutmaßlichen Attentäters nicht an die Behörden, angeblich, weil er spontan erkrankt gewesen sei, nachdem sie ihm kurz nach dem Terroranschlag aufgefallen war. Außerdem löschte Sellner den E-Mail-Verlauf mit T., fertigte zuvor allerdings Screenshots an. Hinzu kommt, dass Beamte bei der Hausdurchsuchung in Sellners Wohnung ein Zweithandy in einem Blumentopf fanden. Die Smartphones von Sellner und einem weiteren Aktivisten werden nun bei der Firma Cellebrite geknackt. Laut Ermittlungsakten ist T.s Reiseroute in Österreich nicht so einfach nachzuvollziehen, da die von ihm gemieteten Autos über kein Navigationsgerät verfügten. Sellner gibt an, T. weder physisch getroffen noch später weiteren Kontakt mit ihm gehabt zu haben.

T.s großzügige Spende an Sellner, die im Zuge einer Finanzprüfung durch Ermittler entdeckt worden ist, löste bei den Behörden hektische Betriebsamkeit auf. Gegen Sellner laufen nun Terrorermittlungen. Zum STANDARD sagt Sellner, er habe die E-Mails gelöscht, das er "die Kontaktdaten eines Terroristen nicht in seinem E-Mail-Postfach haben möchte", er habe sie jedoch zur Dokumentation gespeichert. "Selbstverständlich war das kein Akt der Verschleierung", so Sellner. (Fabian Schmid, Laurin Lorenz, 14.5.2019)