WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda hat den höchsten Justizbeamten und Vorgesetzten der Staatsanwaltschaften angezeigt.

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STANDARD: Sie haben Generalsekretär Christian Pilnacek angezeigt, den höchsten Beamten in der Justiz. Anlass war eine Dienstbesprechung im April, in der sich die WKStA und er zur Causa Eurofighter in die Haare gerieten. Was hat Sie zu dem drastischen Schritt bewogen?

Vrabl-Sanda: Es stimmt, einige Sitzungsteilnehmer von der WKStA und ich haben Anzeige erstattet. Uns wurden Botschaften mit auf den Weg gegeben, die massive Tendenzen in Richtung einer unsachlichen Bearbeitung und Behandlung des Aktes hatten, also wie wir vorzugehen hätten. Die WKStA ist bei ihrer Aufgabe geprägt davon, gerade unsachlichen Tendenzen entgegenzutreten, umso mehr muss dass für die Justiz gelten.

STANDARD: Haben Sie zuvor gelindere Mittel versucht, sich beim Minister beschwert?

Vrabl-Sanda: Wir haben den Verdacht auf Amtsmissbrauch. Und da ist der Schritt, den wir getan haben, vom Gesetz vorgegeben. Er ist uns in dieser besonderen Situation aber besonders schwer gefallen.

STANDARD: Was genau werfen Sie Pilnacek vor? Wollte er das Eurofighter-Verfahren abdrehen? Laut Protokoll sagte er, man möge Teile des Verfahrens "derschlagen".

Vrabl-Sanda: Es ist nicht sinnvoll, einzelne Sätze aus dem Protokoll herauszunehmen. Es geht um die Gesamtheit dessen, was dort besprochen wurde. Wir haben den Eindruck, dass wir auf eine Art an den Akt herangehen müssen, die seinem Inhalt nicht entspricht und dem Gesetz auch nicht.

STANDARD: Das Protokoll landete in den Medien, soll auf einer heimlich erstellten Tonaufnahme beruhen. Hat die WKStA das weitergegeben?

Vrabl-Sanda: Die Staatsanwaltschaft erster Instanz hat die Aufgabe, Protokolle zu erstellen. Ein Aufnahmegerät ist mitgelaufen, das macht auch Sinn für die Unterstützung des Schriftführers. An der Sitzung haben immerhin 16 Leute teilgenommen, es ging um komplexe Themen. Ich selbst habe auch erst im Nachhinein erfahren, dass es eine Tonaufnahme gibt. Es geht auch nicht um einzelne Sätze, sondern um die Botschaften und den tatsächlichen Inhalt der gesamten Besprechung. Weitergegeben wurden die Unterlagen nicht von der WKStA. Wir halten uns an die Regeln.

STANDARD: Hat Pilnacek eine Weisung erteilt? Er bestreitet das und sagt, es habe noch gar nichts zu entscheiden gegeben.

Vrabl-Sanda: Darum geht es auch gar nicht: Weisungen zu erteilen, ist Recht und gegebenenfalls Pflicht der Aufsicht, und dafür gibt es einen gesetzlich vorgegeben Weg, der Transparenz vorsieht und nachvollziehbar ist.

STANDARD: Das Eurofighter-Verfahren ist heuer nach sieben Jahren bei der Staatsanwaltschaft Wien zur WKStA übersiedelt. Sind die bisherigen Ermittlungen unbrauchbar? Pilnacek sagt, Sie hätten das so dargestellt. Wollte er Ihre Ermittlungen abdrehen?

Vrabl-Sanda: Wir haben die Causa am 1. Februar bekommen, sie ist extrem umfangreich. Aber niemand kennt den gesamten Akt. Wir müssen ihn einmal lesen, nachprüfen, was wir noch brauchen. Wir können nicht auf Hypothesen aufbauen, die wir nicht kennen und die rechtlich vielleicht nicht haltbar sind.

STANDARD: Hat Pilnacek also gedrängt?

Vrabl-Sanda: Für eine Erledigung, also Anklage oder Einstellung, fehlen die Ermittlungen. Es ist nicht der gesetzesmäßige Weg, zu Erledigungen zu kommen, ohne den Akt zu kennen. Wir brauchen Zeit. Einfach dort fortzusetzen, wo die Staatsanwaltschaft Wien aufgehört hat? Dazu sind wir nicht da. Wir haben uns also den Verfahrensstand angeschaut und wollten unsere Fachaufsicht informieren. Besonders an einem Akt wie diesem, der politisch so brisant ist, müssen wir ruhig und unbeeinflusst arbeiten. Es geht uns um ein sauber geführtes Ermittlungsverfahren.

STANDARD: Sie forderten in der Sitzung mehr Staatsanwälte, u. a. weil die jungen, die an der Eurofighter-Sache dran sind, fachlich nicht weit genug seien. Brauchen Sie besseres Personal?

Vrabl-Sanda: Das Eurofighter-Verfahren verdient mehr und erfahrenes Personal. Gerade weil es schon so lange dauert und weil die Situation so unbefriedigend ist.

STANDARD: Pilnacek sagt, er sei wegen dieser Argumentation "gesteigert ungehalten" gewesen. Wie wild ist es in der Sitzung denn zugegangen?

Vrabl-Sanda: Ich neige nicht zu emotionalem Vorgehen. Es ging auch nicht um Emotionen, sondern um Inhalte.

STANDARD: Generalsekretär Pilnacek argumentiert, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Causa gegeben habe – und das sei kein Amtsmissbrauch.

Bei der Causa Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat Christian Pilnacek (hier beim U-Ausschuss) das Vorgehen der WKStA öffentlich kritisiert.
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Vrabl-Sanda: Das muss die Staatsanwaltschaft Linz prüfen. (Sie prüft die Anzeige gegen Pilnacek; Anm.)

STANDARD: Viele sagen, Ihr Vorgehen sei die Retourkutsche der WKStA für die Causa BVT, in der Pilnacek öffentlich kundtat, dass er die Hausdurchsuchung für überzogen halte.

Vrabl-Sanda: Ich schließe das aus. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir lassen uns bei unserer Arbeit nicht von Befindlichkeiten leiten.

STANDARD: Wie geht es nun beim Eurofighter weiter? Fangen Sie ganz von vorn an?

Vrabl-Sanda: Wir haben Arbeitsunterlagen und eine To-do-Liste erstellt. Und ich wünsche mir einen intensiveren Personaleinsatz und hoffe dabei auf die Unterstützung unserer Aufsicht.

STANDARD: Der Minister hat eine Mediation zwischen WKStA und dem Generalsekretär vorgeschlagen. Werden Sie teilnehmen?

Vrabl-Sanda: Ich würde mich Gesprächen niemals verschließen. (Renate Graber, 17.5.2019)