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Die Anonymität im Netz soll eingeschränkt werden – zumindest wenn das "Gesetz für Sorgfalt und Verantwortung im Netz" umgesetzt wird.

Foto: Getty Images/Elva Etienne

Fast alle FPÖ-Minister sind zurückgetreten, im Herbst sind Neuwahlen angesagt: Eine Krise erschüttert aktuell die österreichische Regierung. Trotzdem dürfte die ÖVP ihre Pläne für eine digitale Ausweispflicht wohl fortsetzen, wie DER STANDARD aus informierten Kreisen erfahren hat.

Die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf, der Nutzer in Zukunft dazu zwingt, ihre personenbezogenen Daten anzugeben, um etwa Beiträge zu verfassen, endet am Donnerstag. Plattformbetreiber müssen diese Daten Strafbehörden und im Falle einer Beleidigung Privaten weitergeben.

Seitdem sind zahlreiche Stellungnahmen zu dem Gesetz abgegeben worden – etwa von der Arbeiterkammer, dem Providerverband Ispa, der Wirtschaftskammer und dem STANDARD selbst.

Aus für Anonymität

Mit dem neuen Gesetz wird die Anonymität im Netz für österreichische Nutzer abgeschafft. User müssen sich künftig gegenüber den Betreibern der Plattformen, die sie nutzen, ausweisen, öffentlich kann aber weiterhin ein Pseudonym genutzt werden. Die geplanten Regeln gelten für alle Plattformbetreiber, die mehr als 100.000 registrierte Nutzer haben, mehr Umsatz als 500.000 Euro im Jahr erzielen oder eine Presseförderung von über 50.000 Euro bekommen.

Somit wäre etwa DER STANDARD betroffen, Seiten wie Facebook und Twitter, aber auch womöglich die Online-Enzyklopädie Wikipedia, wie Claudia Garád, Geschäftsführerin von Wikimedia Österreich, in Aussicht stellt; man sei jedoch gerade dabei, dies zu prüfen. Die Regierung begründet die Pläne damit, dass auf diese Weise Hasspostings im Netz eingedämmt werden sollen.

Was passiert nun?

Sollte das Medienministerium unter Gernot Blümel (ÖVP) das Gesetz tatsächlich weiterführen wollen, steht eine Notifizierung der EU-Kommission an. Die geplante Regelung dürfte nämlich gegen die E-Commerce-Richtlinie der EU verstoßen. Diese sieht vor, dass Anbieter im Netz dem Recht des jeweiligen Herkunftslandes unterliegen. Demnach darf ein Mitgliedstaat keine strengeren Gesetze vorschreiben als das Herkunftsland des Betreibers.

Die EU-Kommission müsste die Forderungen der Regelung also gesondert prüfen und genehmigen – dafür hat sie drei Monate Zeit. Da Neuwahlen voraussichtlich im September stattfinden, wird sich der Beschluss des Gesetzes im Nationalrat nicht mehr ausgehen – wobei mit dem Zerfall der türkis-blauen Regierung sowieso nicht mehr zu erwarten ist, dass die FPÖ für das Gesetz stimmt.

Die ÖVP könnte die Umsetzung jedoch während der Koalitionsverhandlungen fordern. Offen ist auch, inwiefern der Gesetzestext angepasst wird, bevor die Regierung ihn der EU-Kommission vorlegt. Aus informierten Kreisen heißt es, dass voraussichtlich nur Detailänderungen zu erwarten sind, etwa in Bezug auf die konkreten Daten, die über Nutzer gesammelt werden müssen.

Scharfe Kritik

Maximilian Schubert, Generalsekretär des Providerverbands Ispa, kritisiert die Pläne im Gespräch mit dem STANDARD scharf. Da ein Großteil der Hasspostings unter Klarnamen veröffentlicht wird, dürfte die tatsächliche Wirkung der Maßnahme eher gering sein. "Derartige Datensammlungen werden nicht dazu beitragen, Österreich zu einem Silicon Valley, sondern eher zu einem Abbild Chinas im Herzen Europas zu machen", sagt Schubert.

Die Grundrechts-NGO Epicenter Works warnt vor dem sogenannten "Chilling Effect". Nutzer würden aus Angst, ihre Daten könnten weitergegeben werden, nicht mehr posten, obwohl sie keine illegalen Inhalte teilen wollten. "Es gibt sehr gute Gründe, wieso Menschen ihr Wissen im Internet nur anonym teilen möchten", fügt Garád hinzu. (Muzayen Al-Youssef, 22.5.2019)