Der österreichische Judo-Präsident Hans Paul Kutschera, Ex-Sportminister Heinz-Christian Strache und Judo-Weltverbandspräsident Marius Vizer (von links) planten mit der Judo WM in Wien einen Coup. Nun wackelt das umstrittene Projekt

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Ist es vorstellbar, dass man sechs, sieben Stunden bei Wodka und Red Bull zusammensitzt, ohne (auch) über Sport zu reden? Mit Nichten. Mag sein, auch infolge des Ibiza-Videos ist, wie DER STANDARD erfuhr, die schöne Disziplin Judo ins Gerede gekommen – und das nicht von ungefähr.

Am 19. September 2018 wurde am Rande der Judo-WM in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku bekannt, dass Wien den Zuschlag für die Ausrichtung der WM 2021 erhalten hatte. Philipp Trattner, Sektionsleiter im Sportministerium, bestätigt dem STANDARD, dass Wien der einzige Bewerber war, deshalb habe keine Abstimmung stattgefunden. Das sollte nicht die einzige Besonderheit im Zusammenhang mit der Vergabe bleiben.

Nach Baku reiste Strache nicht nur wegen der Judo-WM, er nahm auch an Treffen mit der aserbaidschanischen Regierung teil. Die gilt als eine der korruptesten der Welt. Die Panama Papers zeigten, dass die Familie des Präsidenten Alijew Beteiligungen in fast allen Wirtschaftsbranchen des Landes hält. Alijew – nicht zu verwechseln und nicht verwandt mit dem kasachischen Politiker Rachat Alijew, der in Wien im Gefängnis starb – ist seit 2003 Ministerpräsident, er folgte seinem Vater nach.

Reise nach Baku

Neben Strache und zwei ÖVP-Abgeordneten waren bei der Reise im September auch Ex-Klubobmann Johann Gudenus sowie der designierte FPÖ-Finanzreferent und Nationalratsabgeordnete Markus Tschank dabei. Dieser geriet in den Tagen nach dem Ibiza-Video für seine einstige Tätigkeit bei "Austria in Motion" in die Schlagzeilen. Der Verein soll Spenden für die FPÖ gesammelt haben, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beantragte seine Auslieferung.

Auf Anfrage des STANDARD gibt Tschank an, er habe am Empfang für die Judo-WM in Baku nicht teilgenommen. Zudem kann er nach "jüngster persönlicher Einsichtnahmen in die Umsatzlisten" des Vereins "zu hundert Prozent ausschließen", dass Austria in Motion im Zusammenhang mit der Judo-WM Spenden erhalten habe. Eine Anfrage an Strache blieb unbeantwortet.

Die FPÖ baut seit Jahren Verbindungen nach Aserbaidschan auf, im Sommer 2017 war eine Delegation der Partei unter der Leitung des früheren außenpolitischen Sprechers Johannes Hübner in Baku. Bei seiner Rede zum Nationalfeiertag 2016 in Wien begrüßte Strache Diplomaten aus dem vorderasiatischen Land.

Mittlerweile ist es, wohl auch wegen Straches Rücktritt, so weit gekommen, dass Österreichs Judoverband (ÖJV) eine Rückgabe der WM überlegt. ÖJV-Präsident Hans Paul Kutschera sprach in den Oberösterreichischen Nachrichten schon von "Rückabwicklung". Dem STANDARD sagt er: "Mein Optimismus hält sich in Grenzen. Aber noch hoffe ich, dass die WM stattfinden kann." Doch selbst wenn sie nicht stattfinden sollte, könnte sich die WM für Österreich, sprich den Steuerzahler, als Millionengrab erweisen.

Schließlich hat der Weltverband (IJF) von Österreich eine Veranstaltungsgebühr in Höhe von sechs Millionen Euro verlangt. Und die erste von drei Tranchen, zwei Millionen Euro, hat der Bund schon überwiesen. "Das stimmt", sagt Trattner, der im Fall einer WM-Rückgabe allerdings mit dem IJF verhandeln will und auf eine Rückzahlung hoffen würde.

Auch ÖJV-Präsident Kutschera bestätigt die Transaktion. Der Bund habe dem ÖJV im Jänner zwei Millionen überwiesen, tags darauf überwies der ÖJV flott weiter an den Weltverband. Diesem steht Marius Vizer vor, ein gebürtiger Rumäne, der die österreichische Staatsbürgerschaft hat und als einer der besten Freunde von Wladimir Putin gilt, der IJF-Ehrenpräsident ist. Vizer will sich am Rande der WM 2021 im Amt bestätigen lassen, auch Putin würde nach Wien kommen wollen.

Marius Vizer (60) wird in Judokreisen dafür gelobt, dass er – auch bei Weltmeisterschaften – Preisgelder in diesem Sport eingeführt hat. Sie sollten sich bei der WM in Wien auf eine Million Euro belaufen. Dazusagen muss man, dass auch diese Million, zusätzlich zu den sechs Millionen Veranstaltungsgebühr, vom Gastgeber gestemmt werden sollte, in dem Fall vom ÖJV. In einem von Strache und Finanzminister Hartwig Löger erstellten "Vortrag an den Ministerrat" von 12. Dezember 2018 heißt es gar: "Die eingesetzten Eigenmittel des Judoverbands werden drei Millionen Euro betragen." Wie der ÖJV drei Millionen aufstellen wollte oder will, bleibt unklar.

Der großzügige Bund

Der Ministerratsbeschluss zur WM-Un-terstützung ist bemerkenswert. Nur fünf Sätze im "Vortrag" waren der Finanzierung des Großereignisses gewidmet. Dessen Gesamtkosten werden mit zwölf Millionen Euro beziffert, drei soll, wie gesagt, der ÖJV beisteuern. Alles Weitere bleibt diffus, freilich: "Weitere Mittel werden durch Werbe- und Sponsoreneinnahmen sowie andere Fördergeber aufgebracht werden; der verbleibende offene Teil wird vom Bund getragen." Zack, zack, zack.

Für den Wiener Sportstadtrat Peter Hacker klingt das nach "hohem Risiko" , er sagt dem STANDARD: "Ich würde gerne wissen, ob es sich da nicht um eine generelle Ausfallshaftung handelt." Üblicherweise teilen sich Bund und Land bei einem Sportgroßevent die Kosten. Wo also ist die Stadt Wien geblieben, in der die WM in Szene gehen soll? Außen vor, sagt Hacker. Er sei weder von Strache noch vom ÖJV rechtzeitig informiert worden und habe "bis heute keine brauchbare Kalkulation gesehen". ÖJV-Präsident Kutschera klagt, er blitze in Wien mit Terminwünschen ab. Hacker über die Herangehensweise des Bundes und des Judoverbands: "Wenn der Steuerzahler zahlt, kann man leicht großzügig sein." (Fritz Neumann, Fabian Schmid, 23.5.2019)