Noch-Verfassungsgerichtshofspräsidentin Bierlein und ihr Stellvertreter Grabenwarter.

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Wien – Da Brigitte Bierlein Bundeskanzlerin einer Übergangsregierung wird, stehen im Verfassungsgerichtshof Nachbesetzungen an: Der Präsidentenposten ist vakant – und rückt jemand aus dem Haus nach, muss auch ein neues Mitglied gekürt werden. Man kann davon ausgehen, dass nicht Bierlein und die Übergangsregierung diese Entscheidungen treffen, sondern sie der neuen Regierung überlassen.

Keine Ernennungen während des Interregnums

Zumal auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor kurzem schon demonstriert hat, dass er sich an die langjährige Staatspraxis hält, in Übergangszeiten keine Ernennungen zu hohen staatspolitischen Posten vorzunehmen – als nämlich Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in letzter Minute versuchte, seinen Generalsekretär Peter Goldgruber noch zu befördern. Und VfGH-Mitglieder werden vom Bundespräsidenten ernannt.

Für den Gerichtshof ist die vorübergehend reduzierte Besetzung kein Problem: Vizepräsident Christoph Grabenwarter übernimmt interimistisch die Funktion des Präsidenten – und der VfGH ist auch mit 13 Mitgliedern funktionstüchtig. Wenn nötig, wird für eine Session eines der sechs Ersatzmitglieder herangezogen.

Bierlein war selbst in ähnlicher Situation

Eine ähnliche Situation gab es schon 2017/18: Damals ging Präsident Gerhart Holzinger altersbedingt in Pension – und die Nachbesetzung wurde, wie jetzt auch, durch eine von ÖVP-Chef Sebastian Kurz ausgerufene Neuwahl verzögert. Damals führte Bierlein als Vizepräsidentin interimistisch den Gerichtshof.

Erst Ende Februar 2018 entschied die neue türkis-blaue Regierung, dass Bierlein für zwei Jahre Präsidentin wird – denn Ende 2019 hätte sie mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren ohnehin den VfGH verlassen müssen. Die Regierung machte damals auch Grabenwarter zum Vizepräsidenten – mit der Option, dass er mit Bierleins Ausscheiden Präsident wird. Ob die nächste Regierung sich daran hält, wird man wohl erst Ende des Jahres wissen.

Farbenlehre des Höchstgerichts

Offiziell werden die 14 Mitglieder und sechs Ersatzmitglieder des VfGH von der Bundesregierung (Präsident, Vizepräsident, sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder), Nationalrat und Bundesrat (sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder) dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen. Dies ist im Bundes-Verfassungsgesetz geregelt.

In der Realität der Koalitionsregierungen ist das Vorschlagsrecht aber unter den jeweiligen Regierungsparteien aufgeteilt. Die als bürgerlich geltende Bierlein wurde 2003 von der schwarz-blauen Regierung zur Vizepräsidentin gekürt, 2018 machte sie die neue ÖVP-FPÖ-Koalition zur Präsidentin. Grabenwarter wurde 2005 – auf einem ÖVP-Ticket – von der Regierung als Verfassungsrichter vorgeschlagen. (APA, 31.5.2019)