Wann immer der Bundespräsident dieser Tage durch die rote Tapetentür tritt, ist die Lage ernst, aber nicht humorlos. Denn während der 75-jährige Alexander Van der Bellen der Bevölkerung vor den TV-Schirmen seine verfassungsrechtlich absicherten nächsten Schritte erklärt, sorgt er mitunter auch für kabarettartige Einlagen. Als nach den Rücktritten der blauen Regierungshälfte auch noch die türkise Minderheitsregierung samt Experten aus dem Amt gekippt wurde, schritt er zu deren formalen Enthebung mit den Worten: "Irgendwie haben wir schon gewisse Übung in diesen Dingen."

Obwohl seine Auftritte penibel orchestriert sind, streut Bundespräsident Van der Bellen dabei auch so manche ironische Bemerkung ein.
Foto: Christian Fischer

Ebenfalls für Amüsement sorgte, als Van der Bellen mitten in der Zeremonie kurz nachgrübelte, wie man Ibiza korrekt ausspricht – für ihn ein Synonym für ein "verstörendes Sittenbild" der Politik.

Doch die kleinen Scherze zur Auflockerung der Situation täuschen nicht darüber hinweg, dass die Vorgänge in der Hofburg in der seit zwei Wochen anhaltenden Regierungskrise sehr wohl penibel orchestriert sind. Vor Van der Bellens Auftritten stellt allein ein halbes Dutzend Mitarbeiter der Protokollabteilung sicher, dass Licht und Ton stimmen, auch der Einlass der Medien wird dort minutiös geplant. Welchen Rat holte Van der Bellen, einst Professor für Volkswirtschaft und Chef der Grünen, noch ein, ehe die Nation mit der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein endlich wieder zur Ruhe kommen soll?

Eingeschworenes Team

Zu den Vertrauten des Staatsoberhaupts zählt eine kleine, eingeschworene Truppe, die sich durch hohe Loyalität und Diskretion auszeichnet und die sich zum Teil schon seit Jahrzehnten, nämlich aus den Tagen bei den Grünen, kennt. Der nach außen stets ruhige und besonnene Van der Bellen gilt als durchaus fordernder Chef, will Details mitunter ganz genau wissen und legt aber auch Wert darauf, dass am Ende er die Entscheidungen trifft.

Einer, auf den er dabei immer hört, ist Lothar Lockl. Der 50-jährige Wiener steht, mit Unterbrechungen, bereits seit 1999 an der Seite des gebürtigen Tirolers. Van der Bellen war damals bereits grüner Bundessprecher und holte Lockl, der sich seine ersten Sporen bei Global 2000 verdient hatte, als Kampagnenleiter zu sich. Später war Lockl Kommunikationschef der Partei und schließlich Generalsekretär.

Der frühere Schach-Staatsligaspieler, den manche Grüne nach dem Rücktritt von Eva Glawischnig gern als neuen Parteichef gesehen hätten, war und ist Van der Bellens Ansprechpartner für strategische Überlegungen. Heute macht Lockl das als externer Berater – er ist also nicht in der Hofburg angestellt, gehört aber zum innersten Zirkel, der auch bei vertraulichen Gesprächen des Bundespräsidenten anwesend sein darf.

Kennerin vieler Spitzenbeamter

Besonders gefragt ist derzeit auch die Erfahrung von Andrea Mayer, der höchsten Beamtin der Republik. Van der Bellens Kabinettsdirektorin kennt als frühere Sektionschefin im Kanzleramt den Verwaltungsapparat in- und auswendig – und weiß nun auch um die Stärken und Schwächen anderer aktiver und ehemaliger Spitzenbeamter Bescheid, von denen nun einige, formal auf Vorschlag von Bierlein, zu Ministerwürden kommen werden.

Mayer stieß mit dem Wechsel Van der Bellens in die Hofburg zum engeren Beraterteam. Dessen Pressesprecher Reinhard Pickl-Herk und Inge Hausbichler gehören schon länger dazu – auch sie waren früher für die Grünen tätig. Ebenfalls grüne Vergangenheit hat Oliver Korschil, der Van der Bellens Bürochef ist und bei dem derzeit organisatorische Fragen zusammenlaufen.

Von außen, aber ohne Beratervertrag, darf sich auch Martin Radjabj-Rasset einbringen. Er ist hauptberuflich bei der Erste Bank für strategische Marketingsteuerung verantwortlich, ist aber, so heißt es, noch immer in regelmäßigem Kontakt mit dem Bundespräsidenten.

Verfassungsrechtliches Know-how

Die ehemaligen Grünen sind also vor allem für politstrategische Überlegungen zuständig. Fest steht aber auch, dass Van der Bellens professoralen Ausführungen im Fernsehen über das weitere Prozedere stets Beratungen mit dem Juristen Georg Frölichsthal aus der Rechtsabteilung vorausgehen. Regelmäßige Konsultationen finden auch mit Ex-Verfassungsgerichtshofpräsident Ludwig Adamovich statt, der als ehrenamtlicher Berater von Van der Bellen im zweiten Stock der Hofburg ein Büro hat. Der 86-Jährige hat selbst turbulente Zeiten hinter sich: Breitere Bekanntheit erlangte er, als ihn der verstorbene Landeshauptmann Jörg Haider für den Spruch des Höchstgerichts im Jahrzehnte währenden Kärntner Ortstafelstreit attackierte. Der Freiheitliche höhnte 2001 im Bierzelt: "Wenn einer schon Adamovich heißt, muss man sich zuerst einmal fragen, ob er eine aufrechte Aufenthaltsgenehmigung hat!"

Ebenfalls alle Hände voll zu tun mit den Auftritten von VdB hat derzeit übrigens auch ein Hofburgmitarbeiter in der Abteilung für Bürgerkontakte. Denn nach dessen Fernsehansprachen trudelten tausende Anfragen zu seinem Prozedere ein. Aber nicht nur die. Eine Botschaft, die Van der Bellen derzeit auch häufig bekommt, lautet: "Ich habe Sie nicht gewählt. Aber jetzt sind Sie mein Bundespräsident!" (Günther Oswald, Nina Weißensteiner, 1.6.2019)