Den Haag – Internationale Juristen haben den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) aufgefordert, Ermittlungen gegen die EU wegen des Todes tausender Migranten im Mittelmeer einzuleiten. Ein über 200 Seiten umfassendes Dokument mit möglichen Beweisen wurde der Anklage den Angaben zufolge am Montag übergeben.

Das entsprechende Dokument wurde auch auf Twitter veröffentlicht. Die Anwälte Juan Branco und Omar Shatz bitten darin das Gericht um die Einleitung eines Verfahrens.

Die Anklage reagierte zunächst nicht darauf. Bevor ein Verfahren eingeleitet werden kann, müssten die Ankläger eine richterliche Zustimmung erwirken.

Mitschuld an Verbrechen in Libyen

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten würden seit 2015 eine abschreckende Migrationspolitik betreiben und bewusst den Tod von Migranten in Kauf nehmen, heißt es in dem Dossier. Tausende seien bereits im Mittelmeer ertrunken. Zwischen 2016 und 2018 landeten demnach rund 40.000 Flüchtlinge in libyschen Gefangenlagern. Dort herrschten schlimmste Zustände, entsetzliche Verbrechen würden begangen – etwa Morde, Vergewaltigungen, Folter und Sklaverei.

Die Juristen erklären, dass die EU von diesen Verbrechen wisse und dennoch weiter mit Libyen zusammenarbeite. Daher sei sie nach internationalem Strafrecht mitschuldig. Eine besondere Verantwortung müsse Deutschland, Italien und Frankreich zugeschrieben werden.

Die Anklage des Weltstrafgerichts untersucht bereits mutmaßliche Verbrechen in den Lagern. Chefanklägerin Fatou Bensouda berichtete im Jahr 2017 von Hinweisen, dass tausende Migranten unter "unmenschlichen Bedingungen" in libyschen Lagern festgehalten würden. "Verbrechen wie Tötungen, Vergewaltigungen und Folter sollen dort an der Tagesordnung sein."

Jurist: Klage ist politischer Akt

Artikel 125 im Römischen Statut des Internationalen Gerichtshofs zufolge können Staaten Subjekte des Strafgerichtshofs sein, nicht aber Staatengemeinschaften. Insofern sei es eher ein politischer Akt als ein strafrechtlicher, wenn eine Gruppe von Rechtsanwälten die EU wegen Menschenrechtsverletzungen in Den Haag klage, wird der Leiter der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, Klaus Rackwitz, im Deutschlandfunk zitiert. "Wenn man sich vor Augen hält, dass diese Strafanzeige erst an große Zeitungen in der ganzen Welt geschickt wurde und danach erst an die Anklagebehörde, die mit der sachlichen Prüfung befasst ist, dann spricht das auch für sich." (APA, red, 4.6.2019)