Dramatische Szenen, wie sie in den verstörenden Videos, die am Rande der Klimaschutzdemo letzte Woche entstanden, zu sehen waren, gab es am Donnerstagabend in Wien nicht. Rund 2.000 Menschen, die Polizei schätzte 1.500, zogen in einem friedlichen Protestmarsch ohne Zwischenfälle vom Verkehrsministerium im dritten Bezirk zweimal über den Donaukanal, vorbei am Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände und an der Landespolizeidirektion Wien zur Abschlusskundgebung in den Sigmund-Freud-Park. Die Polizei hatte schon im Vorfeld angekündigt, mit einem Großaufgebot von rund 490 Beamten im Einsatz zu sein.

Der Veranstalter, die Klimaschutzbewegung "System Change, Not Climate Change", rief zum Protest gegen Polizeigewalt auf, Gruppen wie Ende Geländewagen, Attac, Global 2000, Greenpeace, die Linkswende, die Sozialistische Jugend, Grüne und die Antifaschistische Aktion schlossen sich an. Obwohl man am Donnerstag um 18 Uhr startete, genau wie in den letzten Monaten die regierungskritischen Donnerstagsdemonstranten, war es keine Donnerstagsdemo. Letztere pausierte diese Woche und überließ den klimaschützenden Kollegen die Straßen.

Die Polizei schätzte, dass 1.500 Menschen an der Kundgebung teilnahmen.
Foto: Christian Fischer

Bunte Overalls und kreative Transparente

"Wir sind heute hier, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren und für eine Stadt für alle", ruft eine junge Frau vor dem Verkehrsministerium ins Mikro am Demowagen, bevor sich der Zug in Bewegung setzt. Ihre Kollegin erzählt dann auch von sexistischen und herabwürdigenden Aussagen, die sich Aktivisten und Aktivistinnen am vergangenen Freitag von Polizeibeamten angeblich anhören mussten. Einige Mitglieder von Ende Geländewagen ziehen sich währenddessen unter einem Baum in der Radetzkystraße schon ihre roten, blauen, gelben und weißen Overalls an. Blockaden werde es aber heute nicht geben, erzählen sie dem STANDARD, heute sei nur ein Demonstrationszug geplant. Zwei von ihnen klettern dann auch auf den Demowagen, um von ihren Erlebnissen am vergangenen Freitag zu erzählen.

Der erste junge Mann sichtet in der Menschenmenge auch "Rassisten und Faschisten", wie er ruft, "die haben hier nichts zu suchen, verpisst euch!" Der zweite erzählt mit einer nur wenig verheilten Platzwunde auf der Stirn davon, wie ihn Beamte am Freitag gegen den Asphalt drückten und am Boden fixierten. Buhrufe aus dem Publikum. Dann wird noch auf eine Solikasse für Rechtshilfespenden und Bustickets, die man für die nächste Kundgebung im Rheinland kaufen könne, hingewiesen.

Dann geht es los zwischen sachlichen, kreativen und recht eindeutigen Transparenten wie "Bitte lasst unsere Polizei Hüterin der Menschenrechte sein", "Eure Gewalt macht uns stärker" oder "Ihr fahrt uns über den Kopf, aber sicher nie über den Mund" – als Anspielung auf das Video mit einem Mann, der am Freitag von zwei Beamten mit dem Kopf unter einem Polizeiauto fixiert wurde.

Zwei miteinander korrespondierende Schilder.
Foto: Colette M. Schmidt

Ein Mann und eine Frau tragen am Donnerstag zwei schlichte Pappschilder nebeneinander her. "Hot's eich" und "Oida!" haben sie daraufgeschrieben.

Literaturkritik an Slogans

"Es gibt kein Recht auf Polizeigewalt", skandierten die Demonstrierenden immer wieder während der dreistündigen Demonstration, antikapitalistische Slogans und solche gegen den Klimawandel werden auch immer wieder bemüht. Und zwischendurch tönt es weniger freundlich: "Ganz Wien hasst die Polizei!"

Simon und Martin, zwei Komparatistikstudenten, die mitmarschieren, sind inmitten von Rufen und Pfiffen auf der Oberen Donaustraße in ein Gespräch über ihre Unzufriedenheit mit den skandierten Sprüchen vertieft. "Es gibt irgendwie keine gescheiten Sprüche gegen Polizeigewalt", bedauert Simon. Und Martin gibt ihm recht: "Die haben alle irgendwie keinen Pfeffer, da ist nichts Rundes dabei, und längere haben wieder keinen Bogen. Wenn die Gelbwesten in Paris auf Französisch rufen, das klingt viel schöner!"

Der Protest war von Anfang bis Ende friedlich.
Foto: APA/HANS PUNZ

"BWL gegen Polizei"

Eine halbe Stunde später hört man dann auch in der Wiener Berggasse "Tout le monde déteste la police", während bengalische Feuer gezündet werden. Auf dem Oskar-Morgenstern-Platz gegenüber schließen sich Studierende in den Fenstern der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Uni Wien den Protesten an: mit Schildern – "BWL gegen Polizei" und "Wiener Polizisten schützen Faschisten" – und ebenfalls bengalischen Feuern.

Ein paar bengalische Feuer bringen auch den Einsatzleiter am Donnerstag nicht aus der Ruhe, "das gehört ja fast dazu", sagt er dem STANDARD und betont: "Es war friedlich, auf beiden Seiten." (Colette M. Schmidt, 6.6.2019)