Nach der Anzeige gegen Christian Pilnacek wurden nun fünf Staatsanwälte angezeigt.

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Wien – Der justizinterne Streit zwischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und deren vorgesetzter Oberbehörde, vor allem in Person von Strafsektionschef Christian Pilnacek, eskaliert. Nun hat die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien jene fünf Staatsanwälte angezeigt, die bei der Dienstbesprechung am 1. April im Justizministerium dabei waren, bei der eine Tonaufnahme angefertigt wurde.

Unter den Angezeigten ist auch die Leiterin der WKStA, Ilse-Maria Vrabl-Sanda. Das sagte sie in der "ZiB 2" am Donnerstag, in der sie ihre Vorwürfe wiederholte.

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Die WKStA wirft dem damaligen Generalsekretär Pilnacek und dem Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien vor, sie hätten unrechtmäßigerweise Vorgaben für die Ermittlungen in der Causa Eurofighter gemacht, also Druck ausgeübt. Die WKStA-Staatsanwälte brachten Anzeige wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch ein – die Staatsanwaltschaft Linz hat diese nun zurückgelegt. Knappe Begründung: Es gebe keinen Anfangsverdacht gegen Pilnacek.

Geheime Tonaufnahme

Nun hat also die Oberstaatsanwaltschaft Wien eine "Gegenanzeige" gegen die Anzeiger eingebracht. Anlass dafür: die "geheime" Tonaufnahme. Die OStA bezieht sich auf Paragraf 120 Strafgesetzbuch, "Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten". Strafbar ist demnach unter anderem, wenn jemand "ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nichtöffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht".

Wie berichtet wurde ein Protokoll der Aufnahme erstellt, selbiges wurde Teil der Anzeige der WKStA und ist inzwischen auch öffentlich bekannt. Der Vorwurf gegen die WKStA-Staatsanwälte, der sinngemäß dazukommt: Das Protokoll fasse die Besprechung tendenziös zusammen. So soll die Abschrift der gesamten Aufnahme rund 90 Seiten umfassen, die Abschrift der WKStA rund 30 Seiten. Daher wurden die Staatsanwälte auch wegen des Verdachts auf Beweismittelfälschung angezeigt.

Verdacht auf Verleumdung

Zudem wird auch noch der Vorwurf der Verleumdung erhoben, deren Ziel Pilnacek und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien sei. Die OStA Wien war laut Behördensprechern gesetzlich zu einer Anzeigeerstattung verpflichtet. Sie hat ihren Bericht dem Justizministerium vorgelegt und die Anzeige der Generalprokuratur. Die hat inzwischen entschieden, dass die Causa von der Staatsanwaltschaft Linz bearbeitet werden soll. Zuständig wäre ja die Staatsanwaltschaft Wien, aber die untersteht der Anzeigerin, der OstA. Linz sei gewählt worden, weil sie sich schon mit der (eingestellten, Anm.) Causa Pilnacek beschäftigt habe.

Sollte es im Zusammenhang mit dem "geheimen Tonbandmitschnitt" tatsächlich zu einem Verfahren kommen, müssen allerdings noch die Betroffenen ihre Ermächtigung geben: Das Delikt ist ein sogenanntes Ermächtigungsdelikt, der Täter kann nur verfolgt werden, wenn der "Verletzte" das auch erlaubt.

Noch eine Anzeige von WKStA

Damit ist der justizinterne Strafanzeigenreigen aber noch nicht beendet. Denn auch die WKStA hat noch eine Anzeige erstattet – weil das Tonbandprotokoll in die Öffentlichkeit gelangt ist. Hier geht es um den Verdacht des Bruchs des Amtsgeheimnisses, auch da soll die Staatsanwaltschaft Linz prüfen, ob es einen Anfangsverdacht gibt. Der Linzer Behördensprecher bestätigte am Freitag, man erwarte den Akt im Lauf des Tages.

Zuletzt war auch bekannt geworden, dass die OStA Wien die WKStA aufgefordert habe, quasi ein kürzeres Protokoll der Dienstbesprechung zu erstellen, dem Vernehmen nach habe das lange verschwinden sollen. Diesen Vorwurf wies die OStA in einer Aussendung zurück. Es sei vielmehr so, dass das Staatsanwaltsgesetz eine Niederschrift über das Ergebnis von Dienstbesprechungen vorschreibe – und eine solche habe die WKStA nicht erstellt, weswegen man sie zusätzlich eingefordert habe. Das ausführliche Tonbandprotokoll könne gar nicht verschwinden, weil es längst im Akt liege.

WKStA-Chefin kannte Protokoll nicht

Und wer hat nun gewusst, dass die Dienstbesprechung aufgenommen wurde? Vrabl-Sanda am 18. Mai zum STANDARD: "Die Staatsanwaltschaft erster Instanz hat die Aufgabe, Protokolle zu erstellen. Ein Aufnahmegerät ist mitgelaufen, das macht auch Sinn für die Unterstützung des Schriftführers. An der Sitzung haben immerhin 16 Leute teilgenommen, es ging um komplexe Themen. Ich selbst habe auch erst im Nachhinein erfahren, dass es eine Tonaufnahme gibt. Es geht auch nicht um einzelne Sätze, sondern um die Botschaften und den tatsächlichen Inhalt der gesamten Besprechung. Weitergegeben wurden die Unterlagen nicht von der WKStA. Wir halten uns an die Regeln." DER STANDARD betont, dass die Unschuldsvermutung gilt.

Mediation und medialer Waffenstillstand

Mit der Befriedung der zerstrittenen Beamten könnte es nun schwierig werden. Noch unter Justizminister Josef Moser war ihnen ja eine Mediation verordnet worden, Einzelgespräche hat es inzwischen auch schon gegeben. Auch "medialer Waffenstillstand" sei vereinbart worden, ist aus dem nun von Clemens Jabloner geführten Justizministerium zu hören. Ob es nun noch gemeinsame Gesprächen beim Mediator geben wird, war nicht zu eruieren.

SPÖ überlegt U-Ausschuss

Die SPÖ überlegt nun, den justizinternen Konflikt rund um das Eurofighter-Verfahren zum Gegenstand eines eigenen parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu machen. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ortete am Freitag in einer Pressekonferenz "einen der größten Justizskandale der Zweiten Republik", sein Kollege Rudolf Plessl einen "ÖVP-Skandal".(Renate Graber, 7.6.2019)