Bettina Kubicek ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Uni Graz.

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Um neun in die Arbeit, um fünf nach Hause – das ist für viele Menschen nicht ideal. Denn jede innere Uhr tickt anders. Die meisten Menschen schlafen – ohne äußere Einflüsse – am liebsten von Mitternacht bis acht Uhr morgens, an den Rändern gibt es mehr Eulen als Lerchen. Zeit also, die klassischen Arbeitszeitmodelle zu überdenken.

New Work lautet das Stichwort – die Konzepte dazu sind vielfältig. Ein Familienbetrieb in Baden-Württemberg lässt einige seiner Mitarbeiter seit Februar ausschlafen – mit ersten Erfolgen. Bettina Kubicek forscht und lehrt an der Uni Graz zu flexibler Arbeit. Sie hält das Arbeiten nach der inneren Uhr für grundsätzlich positiv – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

STANDARD: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Arbeit zu flexibilisieren – Menschen nach ihrer inneren Uhr arbeiten zu lassen ist eine sehr spezielle. Was halten Sie davon?

Kubicek: Grundsätzlich ist das positiv, weil die Beschäftigten ihre Arbeitszeit nach individuellen Bedürfnissen ausrichten können. Sie können an einem Tag früher beginnen, wenn es für sie passt, und an anderen Tagen später. Hier geht also sehr viel Entscheidungsspielraum an die Beschäftigten über. Ich denke, so etwas funktioniert gut, solange es nicht zu große Diskrepanzen gibt, wer wann arbeitet. Denn irgendwann wird es schwierig, alle zu koordinieren. Da können Reibungen entstehen.

STANDARD: Menschen, die nach ihrer inneren Taktung arbeiten, berichten, dass die größte Erleichterung das Aufstehen ohne Wecker ist. Hängt wirklich so viel davon ab, wann man zu arbeiten anfängt?

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Kubicek: Zum Teil sicher. Auch wenn man es nicht nutzt, ist das Angebot eine Erleichterung. Menschen haben zu unterschiedlichen Zeiten ihr Leistungshoch – manche früher, andere später. Es erleichtert viel, wenn man Tätigkeiten, bei denen man konzentriert sein muss, in die Phase des Leistungshochs legen kann. Aber Beanspruchung kommt nicht nur dadurch zustande, zu welcher Zeit man arbeitet. Sie hängt auch von anderen Faktoren ab, etwa von der Arbeitsintensität, vom Zeitdruck oder davon, ob man Pausen machen kann.

STANDARD: Ist es sinnvoll, Schichtarbeiter nach Chronotypen einzuteilen?

Kubicek: Die Forschung zeigt tatsächlich, dass der Chronotyp beeinflusst, wie sich Schichtarbeit auswirkt. Man muss aber beachten, dass Nachtarbeit jene Form der Schichtarbeit ist, die Menschen am meisten beeinträchtigt. Selbst für späte Chronotypen hat sie noch immer negative Auswirkungen. Die Betroffenen arbeiten zu einer Zeit, wo der Körper eigentlich auf Ruhe und Erholung eingestellt ist. Wer immer Nachtschicht arbeitet, kann vielen kulturellen und gesellschaftlichen Aktivitäten nicht nachgehen. Damit wird das soziale Leben stark eingeschränkt. Und um soziale Auswirkungen geht es ja auch. Man kann also nicht einfach sagen, man findet mithilfe der Chronobiologie die geeigneten Personen für diese Schichten, und dann hat man keine negativen Auswirkungen mehr. Der Chronotyp ist nicht das einzige Kriterium.

STANDARD: Geht es dabei nicht vor allem darum, dass sich Arbeitgeber maximal leistungsfähige Angestellte aussuchen?

Kubicek: Personalauswahl ist immer der Versuch, die passende Person für
eine Stelle zu bekommen. Die Kriterien sind unterschiedlich: Fähigkeiten, Aus bildung, individuelle Eigenschaften. Der Chronotyp wäre eine davon. Das ist nichts Verwerf liches. Aber die Mitarbeiter müssen leistungsfähig sein können. Es muss genügend Pausen geben, und die Arbeitstage dürfen nicht allzu oft länger als acht Stunden werden. Diese Rahmen bedingungen sind wichtig, auch wenn man den geeigneten Chronotyp auswählt. (Irmi Wutscher, 10.6.2019)