Wien – Es sind erschreckende Bilder, die seit dem langen Wochenende online bereits tausendfach aufgerufen wurden: In einem Video ist zu sehen, wie drei Jugendliche – ein Mädchen und zwei Jungen – einen anderen Jugendlichen schlagen und auch nicht aufhören, als dieser schon auf dem Boden liegt. Das Opfer wurde mit Gehirnerschütterung und gebrochener Nase in ein Spital eingeliefert.

Noch unbegreiflicher wird die Tat für viele, wenn man das Alter der Prügelnden erfährt: Das Mädchen und ein Junge sind 13, der andere Bursch ist 15 Jahre alt. Die zwei 13-Jährigen waren der Polizei zudem bereits bekannt. Sie sollen erst im April ein Hanfgeschäft in der Donaustadt überfallen haben. Mit Strafen haben die beiden nicht zu rechnen, denn strafmündig ist man in Österreich bekanntlich ab 14 Jahren.

Jugendamt als zentraler Akteur

Was natürlich nicht heißt, dass solche Fälle ohne Konsequenzen bleiben. In der Regel ist der Ablauf so: Die Polizei schickt Anzeigen gegen unter 14-Jährige an die Staatsanwaltschaften, wo sie dann mit einem Vermerk "strafunmündig" an Familiengerichte weitergeleitet werden. Entweder werden die Fälle dort in bestehenden Pflegschaftsakten abgelegt – oder es wird ein neuer Akt angelegt.

Wenn am Familiengericht der Verdacht besteht, dass es sich um einen ärgeren Fall handelt, dann wird das Jugendamt alarmiert. Auch die Polizei kann sich gleich direkt an die Ämter wenden.

Das geschah auch im aktuellen Fall. Andrea Friemel, Sprecherin der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, bestätigt das. Man kenne beide 13-Jährige bereits. Es handle sich um zwei besonders tragische Fälle, die zwei seien "massiv selbstgefährdend unterwegs" und hätten auch den Kontakt zu den meisten Institutionen, also etwa auch der Schule, abgebrochen. Mehr Details zu dem aktuellen Fall kann die Sprecherin aus Datenschutzgründen nicht geben.

Was das Jugendamt unternimmt

Grundsätzlich entscheide das Jugendamt je nach Delikt, was unternommen wird. Bei Körperverletzung und massiven Eigentumsdelikten komme es jedenfalls zu einem sogenannten Abklärungsverfahren, sagt Friemel. Sozialarbeiter suchen dabei intensiven Kontakt mit den Familien, man schaut sich an, wie es dem Kind geht, wie die Schulsituation ist, die Lage daheim, wer die Bezugspersonen sind und vor allem, ob das Kind selbst- oder fremdgefährdet ist. "Bei gewalttätigen Jugendlichen liegt in der Familie oft vieles im Argen." Dann nehme man das Kind raus.

Eine Kindesabnahme sei aber immer nur das letzte Mittel. Zuvor gebe es auch zahlreiche andere Angebote, wie die Familie unterstützt werden kann. Steht eine traumatische Geschichte dahinter, dann arbeite man natürlich mit Psychologen und Ärzten zusammen. Aber auch mit dem Kinderschutzzentrum und der Männerberatung herrsche reger Kontakt.

Wenn das alles nicht mehr infrage kommt, kommt es zu einer Aufnahme in ein Krisenzentrum. Manchmal seien die Eltern auch mit dem Delikt des Kindes überfordert und bitten sogar selber um eine Abnahme oder melden sich selbstständig beim Jugendamt. Auch Kinder und Jugendliche würden sich teilweise melden, sagt Friemel. So oder so passiere aber immer zuerst eine ausführliche Abklärung.

Ganz klar zu vermeiden seien Abgängigkeiten, also dass Kinder und Jugendliche so sehr auf die schiefe Bahn geraten, dass sie auf der Straße landen. Hier gebe es eine Reihe an sehr niederschwelligen Angeboten, um das zu verhindern. In diese Richtung gehe es auch bei den beiden im Prügelvideo zu sehenden 13-Jährigen.

Leichter Anstieg bei jungen Tatverdächtigen

Wie groß ist eigentlich die Gruppe an tatverdächtigen Unmündigen? Nimmt die Kinder- und Jugendkriminalität in den letzten Jahren zu? Die Zahlen sind in den letzten Jahren tatsächlich nach oben gegangen – leicht, aber doch (siehe Grafik weiter oben). Waren 2009 noch 5.842 unter 14-Jährige in ganz Österreich tatverdächtig (5.250 davon zwischen 10 und 13), stieg diese Zahl 2018 auf 7.231 (6.241 zwischen 10 und 13). Allerdings: Die Anzeigen umfassen von geklautem Kaugummi bis zu schwerem Raub alle möglichen Delikte und sind nicht auf Gewaltdelikte beschränkt.

Das Alter für die Strafmündigkeit hinabzusetzen ist in Österreich derzeit kein Thema. Vor allem Experten aus dem Sozialbereich, aber auch aus dem Strafrecht fordern eher das Gegenteil und plädieren dafür, auf Prävention statt auf Strafe zu setzen. Das Strafrecht sei nicht immer das beste Mittel für junge Täterinnen und Täter. (Lara Hagen, 11.6.2019)