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Ekrem Imamoglu bringt die AKP ins Schwitzen.

Foto: AP/Burhan Ozbilici

Selten ist Istanbul schöner als während der Bayram-Feiertage. Die Baustellen verstummen, die Straßen leeren sich, Millionen von gestressten Großstadtbewohnern reisen für ein paar Tage aufs Land. Und so ruhte auch der Wahlkampf für die Wiederholung der Bürgermeisterwahl am 23. Juni.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Die heiße Phase hat begonnen. Anfang der Woche wurde bekanntgegeben, dass es sogar ein TV-Duell der beiden Kandidaten Binali Yildirim und Ekrem Imamoglu geben soll.

Das ist in der Türkei insofern eine Nachricht wert, als es das erste seiner Art seit 17 Jahren ist. Die Debatte soll am 16. Juni stattfinden, moderieren wird sie der als eher kritisch geltende Journalist Ismail Küçükkaya. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, sorgt doch für Erstaunen: Beiden Kandidaten werden dieselben Fragen gestellt, sie erhalten dieselbe Redezeit. Übertragen wird die Debatte zudem von allen TV-Sendern gleichzeitig.

Präsident Tayyip Erdoğan und seine Mitstreiter hatten sich solchen Herausforderungen bisher immer entzogen. Zu groß war die Gefahr, eine sichere Mehrheit am Ende doch noch aufs Spiel zu setzen. Lieber konzentrierte man sich darauf, die Presse auf Linie zu bringen, indem man immer mehr Zeitungen und TV-Kanäle kaufte und Konkurrenzmedien schloss. So kämpfte die Opposition in den vergangenen Jahren bei jeder Wahl einen ungleichen Kampf.

Angst vor der Niederlage

Auch im bisherigen Wahlkampf wollte man den Kandidaten der CHP besser gar nicht erst zu Wort kommen lassen. So ließ der Sender CNN Türk eines der seltenen Interviews mit Imamoglu just in dem Moment unterbrechen, als dieser über die Korruption zu sprechen begann. Zugleich versuchte der nationalistische Teil der regierungsnahen Presse, Imamoglus Herkunft zu verunglimpfen. Er sei dieser in Wahrheit gar kein Türke, habe griechische Vorfahren.

Kommentatoren und Beobachter rätseln nun, ob dahinter nicht eine größer angelegte strategische Wendung der AKP steckt. Denn die Umfragen sehen nicht gut für den Kandidaten der konservativen Regierungspartei aus. Demnach liegt Imamoglu mit gut 180.000 Stimmen in Führung.

Die Wiederholung ist ja ohnehin erst wegen einer Volte der AKP nötig: Die Wahlen vom 31. März hatte Imamoglu mit einem Vorsprung von 14.000 Stimmen gewonnen. Später hatte die Oberste Wahlkommission die Wahlen wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten für ungültig erklärt.

Werben bei Kurden

Versuche, nun um die Stimmen der konservativen Kurden zu werben, liefen für die AKP offenbar nicht gut. Auch Wahlkampfauftritte Erdoğans zugunsten Yildirims wurden später abgesagt. Celal Baslangiç, Kommentator der Nachrichten-Website Arti Gerçek, vermutete daher gar, Erdoğan habe Angst vor einer erneuten Niederlage und wolle so von seiner Person ablenken. Sauberer wird der Wahlkampf trotz des TV-Duells nicht werden. Die AKP-Regierung hat angekündigt, alle Tätigkeiten von Ekrem Imamoglu während seiner fünfjährigen Amtszeit als Bürgermeister des Stadtteils von Beylikdüzü "genau untersuchen" zu wollen. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 11.6.2019)