Berlin – Die Zahl der mit Haftbefehl gesuchten deutschen Neonazis ist einem Medienbericht zufolge in den vergangenen sechs Monaten gestiegen. Ende März waren in Deutschland 497 Rechtsextreme auf freiem Fuß, obwohl sie polizeilich gesucht wurden, berichteten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Freitag unter Berufung auf eine Antwort der deutschen Regierung an die Linksfraktion im Bundestag.

657 offene Haftbefehle

Im September 2018 lag die Zahl demnach noch bei 467. Insgesamt gab es dem Bericht zufolge Ende März 657 offene Haftbefehle, da einige Tatverdächtige wegen mehrerer Delikte gesucht werden. Demnach ist seit der letzten Erhebung im September 2018 die Zahl der Haftbefehle im rechten Milieu von 605 auf 657 gestiegen. Vor fünf Jahren waren 253 Neonazis zur Fahndung ausgeschrieben.

Zwischen Oktober 2018 und März 2019 wurden allerdings auch 305 Haftbefehle vollstreckt. "Der polizeiliche Fahndungsdruck auf die Neonaziszene zeigt ganz offensichtlich wenig abschreckende Wirkung", sagte die Linken-Politikerin Ulla Jelpke den Funke-Zeitungen.

Verdächtige ins Ausland geflohen

44 verdächtige oder verurteilte Straftäter hielten sich nach Informationen der Behörden im Ausland auf. Ob sie untergetaucht sind, gab die Regierung nicht bekannt. Bei 18 der 657 nichtvollstreckten Haftbefehle lagen politisch motivierte Gewaltdelikte vor, überwiegend Körperverletzungen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

In 90 Fällen bestanden Haftbefehle wegen Straftaten mit politisch rechter Motivation, zum Beispiel Volksverhetzung, Beleidigung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die übrigen Fälle seien der Allgemeinkriminalität zuzuordnen, wird aus der Antwort der Bundesregierung zitiert.

Kritik am Innenminister

Insgesamt gehen die Behörden von deutschlandweit 185.000 offenen Haftbefehlen aus. Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic sagte den Funke-Zeitungen, "es fehlt derzeit jegliche Anstrengung seitens der Innenminister, das Problem koordiniert anzugehen, damit man den seit 2014 weiter anwachsenden Berg der offenen Haftbefehle Stück für Stück abtragen kann". Die Innenminister von Bund und Ländern sollten eine Strategie vorlegen, "wie sie dieses Vollstreckungsdefizit überwinden wollen". (APA, 14.6.2019)