Container über Container: Ein Sinnbild für die globalisierte Wirtschaft.

Foto: CHINA STRINGER NETWORK

Wien – China verzehnfacht die Zölle auf Stahlröhren aus der EU und aus den USA. In den USA hingegen haben sich mehr als 600 Unternehmen zusammengetan und fordern von US-Präsident Donald Trump, eine Lösung des Handelsstreits mit China herbeizuführen. Zusätzliche Zölle würden die Preise für Konsumenten in den USA in die Höhe treiben, schreiben Riesen wie Walmart, für eine vierköpfige Familie um rund 2000 Dollar pro Jahr.

Der Handelskonflikt sorgt täglich für Blätterrauschen. Wie er sich entwickeln wird, ist offen. Möglich, dass ein Deal beim G20-Treffen Mitte Juni zustande kommt – vielleicht aber auch nicht. Nikolaus Lang spielt derzeit viele Szenarien durch. Der Österreicher ist beim internationalen Berater Boston Consulting für Strategieberatung und Globalisierungsthemen zuständig. Er hält Interessierten eine imposante Zahl vor Augen: Mit dem Umstand, dass die USA ihre Handelsbeziehungen neu ordnen wollen, würden immerhin auch 80 Prozent des kumulierten Bruttoweltproduktes auf den Prüfstand gestellt: "Das ist für die Menschheit ein Rückschritt. In den letzten drei Jahren hat sich geändert, was in den vergangenen 70 Jahren aufgebaut worden ist.

Trump-Effekt

Die Strafzölle, die zwischen Washington und Peking diskutiert werden, spielen derzeit eine Hauptrolle. Selbst wenn die Staatschefs Donald Trump und Xi Jinping zu einer Übereinkunft komme, die ersten Schritte seien bereits gesetzt, sagt Lang. Der Trump-Effekt ist schon lange da.

Viele Unternehmen würden seit Monaten ihre Strategien überdenken. Und manche ziehen daraus bereits ihre Schlüsse. "Autohersteller etwa haben Zulieferer schon vor Monaten angehalten, ihre Lieferketten zu überdenken. Da finden auch schon Umbrüche statt. Wenn die Marge bei fünf Prozent liegt, muss ich das als Unternehmen ändern."

Was zum Nachteil der Unternehmen ist, weil sie über Jahrzehnte globalisierte Strukturen infrage stellen müssen – am Ende würde es der Konsument ausbaden, ist Lang überzeugt. "Wenn multinationale Konzerne gezwungen sind, in kleineren Einheiten zu produzieren, sind sie weniger effizient." Sprich: Die Kosten steigen und damit die Preise für die Produkte. Für Unternehmen sieht Lang nur eine Chance: "Sie müssen ein Verständnis dafür entwickeln, was an Tarifen und Zöllen bevorsteht, und sich dann fragen, ob sie die Lieferanten am richtigen Platz haben." Das betreffe nicht nur die globalisierte Autoindustrie. In der globalen Tech-Branche könnte der Streit zwischen China und den USA die Kräfteverhältnisse dauerhaft verschieben. Bis vor kurzem war die Branche größtenteils von Strafzöllen verschont geblieben. Doch plötzlich befindet sich die Tech-Industrie im Zentrum des eskalierenden Handelskriegs.

Die Techno-Lücke

Smartphones, PCs und Co machten allein rund 130 Milliarden US-Dollar der 2018 entstandenen Warenhandelslücke von 419 Milliarden US-Dollar aus, die die US-Regierung fast halbieren will. Dieses Ziel wäre nicht durch mehr chinesische Käufe von US-Produkten wie Sojabohnen, Flüssigerdgas und Verkehrsflugzeugen zu erreichen, wie China angeboten haben soll. Wenn die Reduzierung des Handelsdefizits das vorrangige Ziel der USA bei den Verhandlungen ist, müssen unweigerlich Technologieprodukte auf dem Tisch liegen. Und dann? Vieles ist möglich, aber für Lang ist eines sicher: Die USA würden sich mit Strafzöllen auf Electronics ins eigene Fleisch schneiden. (Regina Bruckner, 15.6.2019)