Wien – Altkanzler Sebastian Kurz hat seine Teilnahme am evangelikalen Großevent Awakening Europe verteidigt. Er selbst habe "nichts Verwerfliches gesagt", meinte der ÖVP-Chef bei einer Pressekonferenz am Montag. Vom "Segensgebet" des Predigers Ben Fitzgerald sei er selbst überrascht gewesen: "Ich wusste davon nichts." Kritik an dem Gebet für Kurz kommt vom evangelischen Bischof Michael Bünker.

"Wer das Video sieht, sieht mir vielleicht an, dass ich etwas überrascht und starr reagiert habe für meine Verhältnisse", sagte Kurz. Er sei immer wieder bei Religionsgemeinschaften zu Gast gewesen – bei Juden, Christen, beim islamischen Fastenbrechen – und habe am Sonntag gemeinsam mit Kardinal Christoph Schönborn an einer ökumenischen Veranstaltung in der Stadthalle teilgenommen. Den australischen Pastor habe er vorher nicht gekannt.

Altkanzler Sebastian Kurz hat seine Teilnahme am evangelikalen Großevent Awakening Europe verteidigt – er selbst habe "nichts Verwerfliches gesagt".
Foto: Christian Fischer

Kritik von Bünker

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker hat sich indessen von der Veranstaltung distanziert. Die evangelischen Kirchen in Österreich seien nicht an dem Event beteiligt gewesen, betonte er in einer Aussendung. Es sei "selbstverständlich, dass wir für alle politischen Amtsträgerinnen und Amtsträger beten. Die Bibel beauftragt uns, sie ins Gebet zu nehmen". Dabei sei jedoch die Unterscheidung von Religion und Politik wichtig. "Es muss der Eindruck vermieden werden, dass dadurch einseitig Stellung genommen wird", warnte Bünker. Religion dürfe nicht für politische Zwecke missbraucht werden.

Schärfere Worte fand Liste-Jetzt-Abgeordneter Peter Pilz: "Es ist peinlich, wenn sich ein Altkanzler an fundamentalistische religiöse Sekten anbiedert und für sich beten lässt. Gefährlich wird es, wenn er den Religionskampf dieser Sekten unterstützt", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Pilz forderte von Kurz eine klare Distanzierung von den Zielen von Awakening Europe.

Trennung von Kirche und Staat gefordert

"Sehr befremdlich" findet auch die FPÖ den gemeinsamen Auftritt von Kurz und Prediger Fitzgerald. "Mit diesem sektenähnlichen Verhalten wurde eine klare Grenze überschritten. Wenn jemand wie Fitzgerald nach einer Drogendealerkarriere behauptet, Jesus getroffen zu haben, und dann 10.000 Menschen in der Wiener Stadthalle auffordert, Sebastian Kurz zu huldigen, ist das nicht nur peinlich, sondern bedenklich", so Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Er erinnerte Kurz daran, dass in Österreich die Trennung von Staat und Kirche gelebt werde. "Ein Spitzenpolitiker sollte sich daher für eine solche Aktion nicht hergeben", befand Hafenecker. Kurz hatte am Sonntag im Rahmen des religiösen Großevents "Awakening Europe" in der Wiener Stadthalle ein "Segensgebet" des evangelikalen Predigers Ben Fitzgerald entgegengenommen.

Katholische Kirche versteht Aufregung nicht

Die katholische Kirche kann die Kritik am "Segensgebet" für Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht nachvollziehen. "Ganz klar ist mir die Kritik nicht", sagte Michael Prüller, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, am Montag zur APA. "Wir sind als Christen aufgefordert, für Politiker zu beten", sagte er.

Eine parteipolitische Vereinnahmung sei laut Prüller nicht zu erkennen. Das Gebet habe weder Kurz' Partei gegolten, noch habe man für seinen Erfolg gebetet. Es habe sich außerdem um eine ökumenische Veranstaltung gehandelt, die katholische Kirche sei daran nicht offiziell beteiligt gewesen, wies er Kritik an der katholischen Kirche zurück. Es hätten lediglich Vertreter daran teilgenommen, darunter eben auch Kardinal Christoph Schönborn. (APA, 17.6.2019)