Im Burgenland werden unter Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sozialdemokratische Inhalte umgesetzt, die als progressiv und links kategorisiert werden können.

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Die Sozialdemokratie hat nur dann eine Chance, meint Roland Fürst in seinem Gastkommentar, wenn sie die Probleme der Menschen und nicht Political Correctness ernst nimmt.

Die Sozialdemokratie muss jetzt aufpassen, dass "ihre" Krise nicht zur selbstprophezeienden Erfüllung wird. Auf allen politischen Ebenen verlieren sozialdemokratische Parteien die Wahlen, nur selten kommt eine Erfolgsmeldung wie zuletzt aus Dänemark. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Sie reichen von der Unglaubwürdigkeit, die unter der neoliberal verseuchten Sozialdemokratie à la Gerhard Schröder und Tony Blair Fahrt aufgenommen hat, bis hin zur Heterogenität der politischen Programmatik, die gerade beim Thema Migration sichtbar wird und potenzielle Wähler verunsichert.

Die Parteispaltung (siehe Kommentar von Katharina Mittelstaedt) ist für echte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit Sicherheit kein Rezept, um die Sozialdemokratie zu retten, wohl aber eine Bereinigung der inhaltlichen Programmatik, die natürlich auch eine personelle Bereinigung zur Folge hätte. Der Maler Gottfried Helnwein hat im Interview erst kürzlich gemeint, dass die neue Pseudolinke den ursprünglichen (Klassen-)Kampf gegen die "Political Correctness" eingetauscht hat. Das Fokussieren auf die "Political Correctness" gehört bei einem (kleinen) Teil der Sozialdemokratie vielleicht zum egozentrischen Lifestyle, macht aber eine Gesellschaft nicht gerechter.

Der SPÖ blieb aber in ihrer jahrzehntelangen Abhängigkeit von der ÖVP nichts anderes übrig, als sich auf die Metaebene der "Political Correctness" zu beschränken, weil realpolitisch die ÖVP seit 33 Jahren die Republik dominiert. Helnwein als bekennender Weltbürger führt aber noch einen zweiten wesentlichen Aspekt an, der die Sozialdemokratien schwächt, nämlich die Inkongruenz beim Thema Migration.

Political Correctness

Manche in der Sozialdemokratie verwechseln "offene Grenzen" mit internationaler Solidarität. Sarah Wagenknecht von der Linken in Deutschland meinte, dass man die Ungleichheit der Welt, die es natürlich aus linker Perspektive zu bekämpfen gilt, nicht mit offenen Grenzen lösen kann. Auch hier war es eine Zeitlang fast unmöglich, eine differenzierte Haltung innerhalb der Sozialdemokratie einzunehmen, ohne ins rechte Eck gestellt zu werden. Schon der Hinweis, dass es zwischen Wirtschafts- und Konventionsflüchtlingen zu trennen gilt, selbst mit dem Nachsatz, dass die Menschenrechte ein unverrückbares Recht sind, war für viele das Merkmal einer rechten Politik.

Dies alles hat aber nichts mit einer politischen Kategorisierung zu tun oder damit, dass man die Themen der Rechten besetzen muss, um erfolgreich zu sein, sondern schlichtweg mit Vernunft und Verantwortung. Die Stärke der Sozialdemokratie war aber immer das "Aussprechen dessen, was ist", wie es Ferdinand Lassalle formulierte. Dieses Tabuisieren innerhalb der Sozialdemokratie hat dazu beigetragen, dass die Rechten in Europa und Österreich so stark werden konnten, weil die Wähler schlichtweg nicht wissen, was sie bei den Sozialdemokraten bekommen. Political Correctness und politische Inhalte sind natürlich kein Widerspruch, dennoch müssen die Menschen die Gewissheit haben, für welche konkreten politischen Inhalte eine Partei steht und dass diese Inhalte auch umgesetzt werden, das geht aber nur in einer Regierung.

Politische Vernunft

Nach der Landtagswahl 2015 im Burgenland wollte die ÖVP mithilfe der FPÖ die Sozialdemokratie stürzen und fixierte einen Pakt. Die ÖVP rechnete damals nicht damit, dass die SPÖ unter der Führung von Hans Niessl eine Koalition mit der FPÖ eingehen würde. Damit löste die SPÖ Burgenland eine Empörungs- und Beschimpfungswelle aus, und die politisch Korrekten aus der eigenen Partei wollten, dass die burgenländische SPÖ mit 42 Prozent in Opposition geht, die Faust in der Hose ballt und die Internationale singt. Jegliches Sachargument wurde mit moralischer Überheblichkeit weggewischt. Seitdem sind vier Jahre vergangen, und im Burgenland werden unter einem sozialdemokratischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sozialdemokratische Inhalte umgesetzt, die als progressiv und links kategorisiert werden können: Das Burgenland ist studiengebührenfrei, die Minderheitenpolitik ist progressiv, und der Kindergarten wird gratis. Ein Mindestlohn von 1700 Euro netto im Monat für alle Landesbediensteten (auch in landesnahen Betrieben) wird gerade eingeführt und bringt eine enorme Dynamik in das Sozial- und Wirtschaftssystem. Pflegende Angehörige werden erstmals in Österreich – zum Mindestlohn – angestellt, und mit der Umstellung auf Gemeinnützigkeit werden die Qualitätsstandards in der Pflege deutlich gehoben. Die Biowende wurde eingeleitet, das Burgenland ist bei erneuerbarer Energie Nummer eins und setzt auf Sicherheit.

Alle diese Inhalte, die die Menschen interessieren, wären heute kein Thema, wenn sich die "Political Correctness" gegen die politische Vernunft und Verantwortung durchgesetzt hätte. Die SPÖ Burgenland wäre in der Opposition und im österreichischen Schnitt sozialdemokratischer Landesparteien, nämlich zwischen 15 und 20 Prozent. (Roland Fürst, 17.6.2019)