Foto: Elmar Gubisch

Linz – Fragt man die Österreicher, ob es in unserem Land "alles in allem gerecht zugeht", bekommt man mehrheitlich eine negative Antwort: 59 Prozent sagen, dass die Menschen in Österreich ungerecht behandelt würden, nur 31 Prozent sind der Meinung, es gehe gerecht zu. (Zehn Prozent sind unschlüssig.)

Mit persönlicher Erfahrung hat die negative Bewertung der Gerechtigkeit allerdings wenig zu tun. Das zeigen die Antworten auf die folgende Frage: "Und wie ist das bei Ihnen persönlich, ich meine: in Ihrem eigenen Leben? Werden Sie da alles in allem gerecht behandelt, oder ist das eher nicht der Fall?" Da sagen nämlich 74 Prozent, dass sie selbst gerecht behandelt würden, nur 26 Prozent sehen sich als ungerecht behandelt an.

Das geht aus einer Market-Umfrage für den STANDARD hervor – und das Ergebnis ist mit sehr geringen Schwankungen seit vielen Jahren gleich, sagt Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: "Die Politik macht Gerechtigkeit zum Thema, und die jeweilige Opposition verweist natürlich gern darauf, dass es da Missstände gebe, die sie gern beseitigen würde. Die Anhänger der SPÖ und der Grünen sind in besonders hohem Maß überzeugt, dass wir in einer ungerechten Gesellschaft leben, da glaubt nur jeder Fünfte, dass es in Österreich gerecht zugehe. Von den ÖVP-Wählern glaubt das aber jeder Zweite."

Der Eindruck ist unabhängig vom Bildungsstand der Befragten – das Geschlecht spielt aber sehr wohl eine Rolle: 68 Prozent der Frauen, aber nur 50 Prozent der Männer halten Österreich im allgemeinen für ungerecht. Allerdings sagen sowohl Männer (78 Prozent) als auch Frauen (70 Prozent) mit deutlicher Mehrheit, dass sie in ihrem eigenen Leben gerecht behandelt würden.

Meinungsumschwung

Gewandelt hat sich die Einschätzung der FPÖ-Wähler: Bei einer Vergleichsumfrage im September 2017 waren es die Freiheitlichen, die Österreich als besonders ungerechtes Land gesehen haben – in der heurigen Umfrage (durchgeführt vor Ibiza-Gate und dem Ausscheiden der FPÖ aus der Regierung) waren die FPÖ-Wähler mit der Gerechtigkeit deutlich zufriedener, wenn auch nicht so zufrieden, wie es die ÖVP-Wählerschaft ist.

Dabei geben die FPÖ-Wähler am häufigsten an, dass sich ihre eigene finanzielle Situation in den vergangenen zwölf Monaten eher verschlechtert habe. Das sagen immerhin 31 Prozent der deklarierten Freiheitlichen, nur bei 13 Prozent der Freiheitlichen hat sich die finanzielle Lage verbessert. Mit der eigenen finanziellen Situation zufrieden können die Wähler von ÖVP und Neos sein, diese geben am häufigsten an, dass sie persönlich besser dastehen als vor einem Jahr.

DER STANDARD ließ weiter fragen: "Die verschiedenen österreichischen Parteien haben ja alle das Thema Gerechtigkeit in ihrem Programm. Sie sehen nun die Parteien, bitte geben Sie jeweils an, ob diese Partei sich um Gerechtigkeit in Österreich bemüht – oder ob diese Partei Gerechtigkeit in Österreich eher nicht so wichtig nimmt." Dabei bekommt die SPÖ mit 46 Prozent positiver Einschätzung und 35 Prozent negativer Einschätzung die beste Bewertung – besonders gut fällt die Beurteilung durch Befragte aus dem städtischen Bereich und aus der höchsten Bildungsschicht aus. Und die SPÖ kann auch ihre eigenen Wähler besonders gut davon überzeugen, dass sie sich für Gerechtigkeit einsetze.

Ähnlich gut positioniert in dieser Frage sind die Grünen, denen 42 Prozent einen besonderen Einsatz für Gerechtigkeit zutrauen, 38 Prozent meinen, dass die Grünen Gerechtigkeit nicht so wichtig nähmen.

Für die Neos sind die Antworten mit 39:38 etwa ausgeglichen, bei der ÖVP überwiegt die negative Einschätzung: Ihr trauen 38 Prozent ein Bemühen um Gerechtigkeit zu, aber 45 Prozent sind der Meinung, dass das Anliegen der ÖVP nicht so wichtig sei.

Noch deutlich schlechter ist die Bewertung der FPÖ: Ihr attestieren nur 26 Prozent, dass sie sich um Gerechtigkeit bemühe – 59 Prozent meinen, das sei eher nicht der Fall. Die positive Bewertung kommt in hohem Maße von der eigenen, also freiheitlichen Wählerschaft und zu einem kleinen Teil auch von ÖVP-Wählern.

Kampf um Unentschlossene

Pfarrhofer verweist darauf, dass etwa jeder vierte Befragte keine Parteipräferenz angegeben hat – und dass das Gerechtigkeitsthema einige aus dieser Gruppe motivieren könnte, doch zur Wahl zu gehen: "Von den derzeit Unentschlossenen sagen besonders wenige, nämlich nur 22 Prozent, dass es in Österreich gerecht zugehe. Und in dieser Gruppe sind Menschen, die sich selbst als ungerecht behandelt empfinden, mit 34 Prozent auch überdurchschnittlich oft vertreten."