Wenn externe Anbieter gestrichen werden, bleibt die Sex-Aufklärung allein an den Lehrern und Lehrerinnen hängen, sagen Kritiker – und die Schüler trauen sich oft weniger offen zu reden.

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Wien – Der Auftritt von ÖVP-Chef Sebastian Kurz vor einer christlichen Freikirche hat Wellen geschlagen – und auch sonst scheint einiges darauf hinzudeuten, dass sich die Türkisen einen religiöseren Touch geben wollen, als das in der schwarzen Bundes-ÖVP der Fall war.

Dass es nicht unbedingt die liberalsten christlichen Kreise sind, die hier das Sagen haben, geht aus einem jüngsten Gesetzesvorstoß im Parlament hervor: Die rechtskatholische Abgeordnete Gudrun Kugler (ÖVP) hat dort gemeinsam mit VP-Bildungssprecher Rudolf Taschner und Abgeordneten der FPÖ einen Antrag auf Abschaffung von Sexualpädagogik-Workshops an Schulen eingebracht. Und das bringt auch katholische Einrichtungen auf die Palme: Ihren öffentlichen Protest gegen das Streichen der Sexualbildung haben beispielsweise das Frauenreferat der Diözese Innsbruck, die Männerberatung der Diözese Linz und Vertreter der Jungen Kirche Steiermark in eigenen Videobotschaften an die Regierung kundgetan. Auch einzelne ÖVP-Politiker sowie der Bundesschulsprecher der ÖVP-nahen Schülerunion, Timo Steyer, meldeten sich kritisch zu Wort.

Antrag am Dienstag

Der Antrag wird am Dienstag im Unterrichtsausschuss des Nationalrats verhandelt. Sollte er eine Mehrheit in Ausschuss und Plenum finden und externe Sexualpädagogik-Anbieter aus den Schulen verbannt, dann müssten Lehrerinnen und Lehrer die Aufgabe der Sexualbildung allein tragen. Einige Pädagogen seien damit überfordert, kritisieren Experten.

Am meisten leiden würden aber die Schülerinnen und Schüler, sagt Bildungssoziologin Barbara Rothmüller von der Plattform Sexuelle Bildung zum STANDARD: In den Workshops gehe es oft um "schambesetzte Inhalte", die Jugendliche nur in einem geschützten Rahmen besprechen wollen. Ein Lehrer, der auch Noten vergeben müsse, könne diesen Rahmen oft nicht bieten. Vor allem in ländlichen Gebieten sei die Angst der Schülerinnen und Schüler groß, "weil Lehrer und Eltern einander oft kennen". Im schlimmsten Fall entscheiden sich Kinder dann vielleicht, sexualisierte Gewalt in der Familie lieber für sich zu behalten.

Schutz vor Gewalt

Derzeit regelt ein Erlass des Bildungsministeriums die Sexualbildung an Schulen. Er stammt aus der Zeit der Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und orientiert sich an den Sexualaufklärungs-Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diesem zufolge trage Sexualbildung wesentlich dazu bei, dass Kinder und Jugendliche einen selbstbestimmten Umgang mit ihrem Körper entwickeln – und das sei wichtig, um ungewollten Schwangerschaften und sexueller Gewalt vorzubeugen.

Kritiker sehen den Vorstoß von ÖVP und FPÖ als Revancheaktion für die Verbannung des konservativen Workshop-Anbieters Teenstar (DER STANDARD berichtete). Dieser war nach Medienberichten über homosexuellenfeindliche Propaganda in Verruf geraten. ExBildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hatte daraufhin empfohlen, den Verein nicht mehr mit Workshops zu beauftragen. (Maria Sterkl, 24.6.2019)