Nur wenige Tage blieben Verfahrensrichter Eduard Strauss, um mit seinem Team den Abschlussbericht zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss fertigzustellen. Er wurde am Wochenende an die einzelnen Fraktionen übermittelt, diese haben nun ebenfalls eine Woche Zeit, um Änderungen einzuarbeiten. Im Herbst werden diese Berichte dann dem Nationalrat vorgelegt, damit ist der U-Ausschuss offiziell beendet. Insgesamt gab es bislang 44 Sitzungen, die letzte fand am 5. Juni statt. Der Bericht des Verfahrensrichters ist das erste parteipolitisch neutrale Dokument, das die Affäre in ihrer ganzen Dimension beurteilt.

Strauss ist seit über dreißig Jahren Richter, für die Dauer des U-Ausschusses ist er von seiner Funktion als Senatspräsident des Oberlandesgerichts Wien freigestellt. Im U-Ausschuss genoss Strauss fraktionsübergreifend den Respekt der Abgeordneten. Sie werden jedoch einzelne Teile seines Berichts modifizieren wollen. So sieht Strauss keine Hinweise darauf, dass eine bestimmte Polizeieinheit nur deshalb zur Razzia hinzugezogen worden ist, weil sie als FPÖ-nah gilt. Türkis wird das Finden von Indizien für ein ÖVP-nahes Netzwerk beeinspruchen – genau wie die Freiheitlichen Beeinflussungsversuche durch Herbert Kickls Umfeld.

1. ÖVP-Netzwerke

Gibt es ein verschwörerisches Netzwerk rund um Verfassungsschutz und Innenministerium, das parteipolitisch im Sinne der ÖVP agiert? Verfahrensrichter Strauss wiegelt hier ab: Zwar "sprechen zahlreiche Indizien für die Existenz eines politischen Netzwerks", allerdings gebe es keinen konkreten Hinweis "für 'das' schwarze Netzwerk", heißt es in dem Bericht. Konkret weist Strauss auf die vielen Treffen zwischen Ex-Referatsleiter Bernhard P. und ÖVP-Politikern hin.

So traf P. unter anderem auf einer Autobahnraststätte den einstigen ÖVP-Abgeordneten Werner Amon, der nun zum Volksanwalt wurde – nachdem er P. im U-Ausschuss befragt hatte. Strauss weist auch darauf hin, dass P. und weitere BVT-Mitarbeiter im Verein "Pro Patria für Niederösterreich" saßen, dessen Zweck die Förderung der ÖVP bei Wahlen war. Auch zeigten sich bei den Befragungen von P. und dem jetzigen ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior "widersprüchliche Aussagen" über den Sinn ihrer Treffen.

Strauss sieht Indizien für ein Netzwerk rund um Ex-BVT-Mitarbeiter P., ÖVP-Geschäftsführer Axel Melchior und dem jetzigen Volksanwalt Werner Amon (im Bild).
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2. Drastische Kritik an WKStA

Mit den Handlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geht Verfahrensrichter Strauss hart ins Gericht. Besonders die fallführende Staatsanwältin Ursula Schmudermayer habe sich von Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber und dessen rechter Hand Udo Lett beeinflussen lassen. "Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die ermittelnden Staatsanwälte ihren Ermittlungsdrang zugunsten von Objektivität und Folgenabschätzung etwas zurückgenommen hätten", schreibt Strauss.

So habe es bei der Planung der Razzia "erhebliche Mängel" gegeben, vor allem in Bezug auf die Datensicherheit. Dafür seien nicht nur Schmudermayer selbst, sondern auch ihr Gruppenleiter Wolfgang Handler und die Behördenleiterin Ilse Vrabl-Sanda mitverantwortlich, urteilt Strauss. Der Verfahrensrichter kritisierte auch, dass Schmudermayer sich vor der Hausdurchsuchung nicht intensiv damit auseinandersetzte, welche einzelnen Ermittlungsschritte bereits von anderen Behörden gesetzt worden waren. Dass die BVT-Spitze Kenntnis von der Causa nordkoreanische Passrohlinge und deren Weitergabe an Südkorea hatte, wäre "auch im Rahmen einer Google-Recherche feststellbar gewesen".

Strauss' Bericht lässt kein gutes Haar an der Tätigkeit von Staatsanwältin Ursula Schmudermayer (rechts, zu sehen mit ihrer Vertrauensperson).
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Skeptisch ist Strauss auch, ob eine Hausdurchsuchung überhaupt notwendig gewesen wäre. Zwar sei aus Sicht der WKStA nachvollziehbar, dass man nach der Befragung der Belastungszeugen an die Möglichkeit einer Fernlöschung geglaubt habe. Doch mit Blick auf den Inhalt des Konvoluts voller anonymer Anschuldigungen hätte man die Anscheinsbefangenheit des eigentlich zuständigen Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK) "auch ausräumen" können. Der Druck auf die WKStA, die in der Eurofighter-Causa mit dem Justizministerium streitet, wird sich also erhöhen.

3. Die Razzia

Der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und die WKStA-Leiterin Ilse Vrabl-Sanda haben die Öffentlichkeit falsch informiert. Das konstatiert Strauss, der festhält, dass man die Aussagen der zwei Genannten "zumindest infrage stellen" muss. So versicherten sowohl Kickl als auch Vrabl-Sanda nach der Razzia im BVT, dass Polizisten nie auf sensible Daten zugreifen konnten. "Die Sichtung der Datenträger welcher Art auch immer nach Inhalten fand niemals durch die Polizei statt", erklärte etwa Vrabl-Sanda. Doch das wurde in zahlreichen Aussagen des U-Ausschusses anders dargestellt.

Die Polizisten gingen händisch hunderte Seiten Papier im Büro der Extremismusreferatsleiterin Sibylle G. durch. Warum dort überhaupt eine Durchsuchung stattfand, "konnte bis zum Ende der Beweisaufnahme nicht nachvollzogen werden", schreibt Strauss. Er will jedoch auch keine Hinweise auf eine Verschwörung durch FPÖ-nahe Polizisten gefunden haben. Der Vorwurf, die Polizeieinheit EGS sei nur mit der Razzia beauftragt worden, weil sie unter der Leitung eines FPÖ-Politikers gestanden sei, habe sich "nicht erhärtet", so Strauss.

Auch Kickls einstiger Generalsekretär Peter Goldgruber wird im Bericht kritisiert.
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Außerdem konnte "nicht belegt werden", dass Daten aus dem Extremismusreferat entwendet worden waren. Ebenso sieht er keine Hinweise auf ein brutales Vorgehen der EGS. Für Strauss hatte die Razzia im Verfassungsschutz "gravierende Folgen". Innerhalb des BVT herrschte anschließend ein "Misstrauen", dazu kam ein "massiver Vertrauensverlust bei den befreundeten ausländischen Partnerdiensten". Für die Zukunft schlägt Strauss eine Reform der Informationssicherheit vor. So sollen Staatsanwälte künftig besser mit geschützten Dokumenten umgehen können. Außerdem soll "das staatsanwaltschaftliche Berichtwesen allgemein einer breit angelegten Evaluierung unterzogen werden".

4. Postenschacher

Es sei der "Anschein unsachlicher Postenbesetzungen" entstanden, schreibt Verfahrensrichter Strauss – Beweise für konkrete Interventionen wurden jedoch nicht gefunden. Dabei ging es vor allem um Ria P., eine Freundin der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Dass P. wegen dieser Beziehung bevorzugt wurde, konnte "nicht nachgewiesen werden". Allerdings bleibt laut Strauss "die Frage ungeklärt, weshalb eine andere, besser qualifizierte" Person erst nach Ria P. übernommen wurde. Fragwürdige Besetzungen gab es laut Bericht jedoch auch in der Ära von Innenminister Kickl.

Verfahrensrichter Eduard Strauss hatte nur wenige Tage Zeit, um den Bericht fertigzustellen.
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5. ÖH und Tierschützer

Der BVT-Untersuchungsausschuss machte auch zwei kurze Exkurse zu weiter zurückliegenden Fällen, um politische Interventionen zu prüfen. Einmal ging es um die Frage, ob die Daten von einstigen ÖH-Aktivisten, etwa der Grünen-Politikerin Sigrid Maurer, widerrechtlich gespeichert wurden. Strauss sieht hier nur "Fehler auf der individuellen Beamtenebene". Bei den Tierschützerermittlungen will Strauss ebenfalls keine politische Einflussnahme erkennen, wenngleich es "diverse festgestellte Unregelmäßigkeiten im Ermittlungsverfahren" gab, etwa in Bezug auf eine verdeckte Ermittlerin.

6. Freiheitliche Interventionen

Neben der WKStA kritisiert Strauss vor allem Kickls damaligen Generalsekretär Peter Goldgruber. Diesem attestiert er "zahlreiche Erinnerungslücken und Aussageverweigerungen". Für Strauss ist daher klar, dass BVT-Chef Peter Gridling glaubhaft ist, wenn er erzählt, Goldgruber habe ihn nach dem Einsatzort von verdeckten Ermittlern gefragt – und zwar vor der Razzia. Außerdem schreibt Strauss davon, dass "das Engagement und die Involvierung der Weisungsspitze im Fall der Suspendierung Gridlings ohne Zweifel auffällig" gewesen sind.

Ebenso kritisch sieht Strauss die Rekrutierung von "Major F.", einem Ex-Militär, für das BVT. Dieser hatte die Aufgabe, in der Reformgruppe für den Verfassungsschutz mitzuwirken. Für die These, die Razzia hätte dazu gedient, das berüchtigte Ibiza-Video zu finden, liegen laut Strauss "keinerlei Hinweise vor". Kritik gibt es an Kickl, weil dieser das Konvolut zwar schon vor seiner Ernennung zum Minister kannte, aber nichts unternommen hat. (Fabian Schmid, 24.6.2019)